Anlaufstelle Süd (Halle), 14.10.2004
Angeklagter zeigt Hakenkreuz im Gerichtssaal / Urteilsverkündung für kommenden Montag erwartet
Am Montag, dem 18. Oktober 2004, wird vor dem Amtsgericht Halberstadt ab 8.30 Uhr die Hauptverhandlung gegen zwei Neonazis fortgesetzt, denen die Staatsanwaltschaft vorwirft, gemeinsam mit mindestens zwei weiteren Personen am 17.04.2004 in Wegeleben einen Punk mit gezielten Eisenstangenschlägen gegen den Kopf schwer verletzt zu haben.
Bereits vor Prozessauftakt hatte die Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt öffentlich scharf kritisiert, dass die Anklage lediglich auf „gefährliche Körperverletzung“ und nicht auf „versuchten Totschlag“ lautet und die dem Angriff direkt vorausgegangene gezielte Jagd auf den Punk und zwei weitere Personen mit dem Auto unter den Tisch fallen ließ.
Zu Beginn der Verhandlung am 7. Oktober 2004 stellte die Rechtsanwältin der beiden neben dem Punk von der Hatz mit dem Auto Geschädigten einen Antrag auf Zulassung der Nebenklage. Begründet wurde dieser u.a. damit, dass beide Tatkomplexe eine Handlungseinheit bildeten, weil sie auf einen einheitlichen Willensentschluss beruhten. Für die Bewertung der Gesamttat sei die Berücksichtigung der Autohatz von entscheidender Bedeutung, weil hier die besondere Brutalität, mit der die Angeklagten vorgingen, deutlich werde.
Doch Richter Balko wies auch diesen Antrag zurück. Auf die von der Rechtsanwältin vorgebrachte ausführliche Begründung ging er dabei nicht ein und verwies lapidar auf die bereits ergangenen Entscheidungen des Amts- und Landgerichts. Aufgrund dessen stellte die Nebenklägervertreterin des betroffenen Punks einen Befangenheitsantrag gegen den vorsitzenden Richter, über den bis zur Fortsetzung der Hauptverhandlung entschieden werden muss.
„Das Vorgehen von Staatsanwaltschaft und Richter während der Hauptverhandlung vermittelt den Eindruck, dass diese nicht willens sind, die Jagd mit dem Auto überhaupt strafrechtlich zu würdigen,“ beanstandet Zissi Sauermann von der Mobilen Beratung für rechtsextreme Gewalt. So ließ Amtsrichter Balko alle diesbezüglichen Fragen der Nebenklägervertreterin nicht zu.
Eine rechtsextreme Motivation für die Tat will die Staatsanwaltschaft Halberstadt nicht erkennen. Stattdessen lässt sie öffentlich verlautbaren, die Angeklagten „seien keine Rechtsextremisten, denn sie hätten ja nichts getan, was uns um die Verfassung fürchten lassen müsste“ (Die Zeit vom 07.10.04, S.3). „Mit dieser Aussage ignoriert die Staatsanwaltschaft weiterhin die eindeutigen Kriterien für politisch rechts motivierte Straftaten, auf die sich die Innenministerkonferenz im Frühjahr 2001 geeinigt hatte“, so Zissi Sauermann von der Mobilen Opferberatung.
Dass die Täter während des Einschlagens auf den Punk „Sieg Heil“ und „White Power“ riefen, ist aktenkundig. Gericht und Staatsanwaltschaft ist auch bekannt, dass der ältere Angeklagte, Christian S., einer rechten Schlägertruppe, der sog. „Ententeichbande“, angehörte, auf deren Konto im Herbst 1999 eine Vielzahl brutaler Angriffe auf ihnen missliebige Personen gehen. Einige ihrer Opfer wurden dabei schwer verletzt. Der 18-jährige Tony T. trug beim ersten Verhandlungstag seine rechte Gesinnung durch eine Hakenkreuztätowierung auf seiner rechten Wade offen zur Schau.
Die Staatsanwaltschaft Halberstadt behauptet, der Grund für den lebensbedrohlichen Angriff auf den Punk sei eher ein privater Streit – so Oberstaatsanwalt Helmut Windweh gegenüber Radio Brocken am 7.10.2004. Damit stützt sich die Staatsanwaltschaft Halberstadt auf Behauptungen der Verteidiger, ein Angriff auf die Wohnung eines der Angeklagten in der Nacht vor der Hetzjagd gegen den Punk und seine Freunde sei im Zusammenhang mit der späteren Tat zu sehen und stelle somit eine verständliche Reaktion dar. „Die Staatsanwaltschaft muss sich fragen lassen, ob sie in ihrem Zuständigkeitsbereich der Selbstjustiz von Neonazis gegenüber allen, die nicht in ihr Weltbild passen, Tür und Tor öffnen will,“ so Zissi Sauermann.