Anlaufstelle Süd (Halle), 20.06.2005
Wie heute bekannt wurde, griffen am Freitagabend, den 17. Juni 2005, im Anschluss an den Aufmarsch von ca. 150 Neonazis der militanten Kameradschaftsszene Rechtsextremisten zwei Gegendemonstranten am Hauptbahnhof an.
Vor den Augen der Polizei wurden die beiden 20Jährigen, die kurz zuvor einem älteren Passanten erklärt hatten, warum sie gegen den Neonaziaufmarsch demonstrierten, von zwei Aufmarschteilnehmern angegriffen. Beide Betroffene wurden zuerst im Kopfbereich geschlagen. Als sie daraufhin zu Boden gingen, traten die Angreifer auf sie ein. Die beiden neonazistischen Angreifer hörten erst auf, die am Boden liegenden Opfer zu misshandeln, als Polizeibeamte eingriffen. Beide Betroffene erlitten Prellungen und mussten ambulant behandelt werden.
Auch im Vorfeld des Aufmarsches hatten militante Neonazis sogenannte „politische Gegner“ verletzt. In der Nacht zum 16. Juni griffen ein halbes Dutzend stadt- und regionalbekannter Neonazis im alternativen Paulus-Viertel in Halle drei junge Männer aus der Antifa-Bewegung an. Ein 22jähriger Betroffener wurde dabei in den Bauch getreten, ein 26jähriger Betroffener wurde u.a. durch einen Faustschlag ins Gesicht so verletzt, dass er sich ambulant behandeln lassen musste.
Die Neonazis, die offenbar im Vorfeld des rechtsextremen Aufmarsches am Abend des 17. Juni in Halle Propagandamaterial im Paulus-Viertel geklebt hatten, hatten ihre Opfer gezielt gejagt. So wurde der 26jährige Betroffene, als er nach Schlägen und Tritten vor den Angreifern zu flüchten versuchte, nach einem Kommandoruf „Einer von vorn, einer von hinten!“ von zwei Neonazis am Wegrennen gehindert und erneut getreten.
„Mit den Angriffen zeigt die Neonaziszene aus Halle und Merseburg, dass sie selbstbewusst und gewalttätig gegen alle vorgeht, die als „politische Gegner“ definiert werden,“ sagt Zissi Sauermann von der Mobilen Opferberatung. „Besorgniserregend ist dabei auch, dass sich die Neonazis im Internet mit dem Angriff im Paulus-Viertel trotz einer Personalienfeststellung durch die Polizei brüsten.“
Auf der Website des neonazistischen „Nationalen Beobachters“ findet sich seit dem 18. Juni ein Beitrag, in dem die Angreifer stolz erklären, „eine unserer Sicherheitsstreifen durch das Paulusviertel“ habe einen „Antifanten […] abgemahnt“. Dabei wird einer der Betroffenen namentlich erwähnt. Es ist nicht das erste Mal, dass AntifaschistInnen mit Namen, Adressen und teilweise auch Fotos in „sogenannten Feindlisten“ im „Nationalen Beobachter“ veröffentlicht werden und damit von den Neonazis als Ziele für weitere Drohungen und Angriffe definiert werden.
„Die Angreifer sind Überzeugungstäter und agieren, als wenn sie sich vor jeglicher Strafverfolgung geschützt fühlen,“ stellt Zissi Sauermann von der Mobilen Opferberatung fest. So hatten Augenzeugen bei dem Angriff im Paulus-Viertel u.a. einen polizei- und gerichtsbekannten Merseburger Neonazi erkannt. Der 21jährige stand zuletzt im Mai diesen Jahres gemeinsam mit einem Hallenser Rechtsextremisten wegen des rechtsextremen Ladens und Internetversands „Way of Life“ vor Gericht, das ihn wegen „Beihilfe“ zu Volksverhetzung und Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen nach Jugendstrafrecht verwarnte und ihm eine Geldstrafe von 420 Euro auferlegte. Über den rechten Laden schrieb die Mitteldeutsche Zeitung am 20. Mai 2005: „Zum Sortiment gehörten unter anderem Textilien mit rechtsextremen Aufdrucken, Schlagstöcke sowie Tonträger rechter Musikgruppen.“