Anlaufstelle Mitte (Magdeburg), 12.10.2005

Neonazis im Harz werden immer offensiver: Neonazistische Kameradschaft „Wernigeröder Aktionsfront“ (WAF) ruft für kommenden Freitag Abend in Wernigerode zur Demonstration auf.

Die Mobile Opferberatung in Sachsen-Anhalt registriert seit Jahresbeginn mindestens zwei rechtsextrem oder rassistisch motivierte Gewalttaten pro Monat auf nicht-rechte und alternative Jugendliche sowie Asylsuchende und MigrantInnen in der Harzregion.

Drei Beispiele aus den letzten Wochen: Während einer Demonstration gegen ein rechtsextremes Ladengeschäft am 1. Oktober in Halberstadt werfen Neonazis vom Rand mehrmals mit Steinen und Flaschen auf DemonstrationsteilnehmerInnen. Gegen 17 Uhr, nach dem Ende der Demonstration, greifen zwei Dutzend Rechtsextremisten das soziokulturelle Zentrum ZORA und davor stehende BesucherInnen zwei Mal kurz hinter einander mit Steinen und Flaschen an. Dabei wird eine junge Frau am Kopf verletzt. Einige Rechtsextremisten greifen dabei auch Polizeibeamte an.

Am 10. September 2005 werden auf dem Anger-Parkplatz in Wernigerode in der Nacht mehrere nichtrechte Jugendliche mit Zaunlatten, Baseballschlägern und Schlagringen angegriffen. Zwei der Betroffenen werden dabei so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen. Die Polizei stellt in der Folge fünf Täter, die der rechtsextremen Kameradschaft „Wernigeröder Aktionsfront“ (WAF) zuzuordnen sind. Am 28. August 2005 wird in Quedlinburg gegen 2 Uhr morgens in der Nähe vom Marktplatz ein 16-jähriger Punk von drei offensichtlich Rechten ohne Vorwarnung angegriffen. Die Täter schlagen den Betroffenen immer wieder gegen den Kopf – so lange, bis ihr Opfer das Bewusstsein verliert. Der Betroffene erleidet u.a. schwere Kopfverletzungen und muss stationär behandelt werden.

Bekannt geworden sind vor allem Angriffe in den Städten Halberstadt, Wernigerode und Quedlinburg. Die Mobile Opferberatung geht aufgrund von Gesprächen mit Betroffenen davon aus, dass außerdem eine hohe Dunkelziffer von nicht gemeldeten und auch bei den Sicherheitsbehörden nicht registrierten rechten Angriffen auf nicht-rechte und alternative Jugendliche sowie MigrantInnen und Asylsuchende im ländlichen Raum hinzu kommt.

Die Tatsache, dass aus einer Gruppe von rund 100 Rechtsextremisten während und nach der Demonstration gegen den rechten Treffpunkt Ragnaröck – ein neonazistisches Ladengeschäft in der Halberstädter Innenstadt – am 1. Oktober Steine und Flaschen auf die rund 120 DemonstrationsteilnehmerInnen geworfen werden und dass eine Gruppe von ca. zwei Dutzend Neonazis darüber hinaus am Ende der Demonstration das soziokulturelle Zentrum ZORA angreifen und eine junge Frau verletzen konnte, erhöht die Verunsicherung für potenzielle Opfer rechter Gewalt in der Harzregion. „Es ist unverständlich, dass die Polizei angesichts der bekannten rechten Gewalttaten im Harz keine entsprechenden Vorkehrungen zum Schutz der Grundrechte der nicht-rechten und alternativen DemonstrationsteilnehmerInnen ergriff,“ so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung.

Gleichzeitig warnt die Mobile Opferberatung vor voreiligen Schlüssen in Bezug auf einen Angriff auf eine Gruppe von Rechtsextremisten auf dem Anger-Parkplatz in Wernigerode am 7. Oktober 2005. In der Harzregion überwiege eindeutig eine Offensive von Rechtsextremisten: Sowohl im jugendkulturellen Bereich als auch im Bereich von Gewalttaten. „Bei dem Parkplatz handelt es sich um einen seit Monaten bekannten und gefürchteten Treffpunkt von Rechten aus der ganzen Region. Für nicht-rechte und alternative Jugendliche war der Parkplatz nach Einbruch der Dunkelheit eine no-go-area,“ so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Nicht alle, die sich mit Gewalt gegen rechte Übergriffe zur Wehr setzen, können und sollten umstandslos einer linken Szene zugeordnet werden.“ Auch der geplante Aufmarsch der Wernigeröder Aktionsfront am kommenden Freitag könne als weiterer Einschüchterungs- und Bedrohungsversuch gegen alle, die nicht ins rechtsextreme Weltbild passen, verstanden werden.

Im Anhang finden Sie eine Auswahl von 15 rechtsextrem und rassistisch motivierten Gewalttaten in der Harzregion für das Jahr 2005 sowie von 14 rechtsextrem und rassistisch motivierten Gewalttaten in der Harzregion im Jahr 2004. Auf Wunsch der Betroffenen und zu deren Schutz können wir drei Angriffe in der Harzregion im Jahr 2005 nicht veröffentlichen.