Anlaufstelle Süd (Halle), 01.12.2010

Ein selbstorganisierter Treffpunkt für die „Initiative alternatives Merseburg“ – 6.000 Euro benötigt – Alternative Jugendliche in Merseburg brauchen Unterstützung – Mobile Opferberatung bittet um Spenden

Die „Initiative alternatives Merseburg“, die nach dem brutalen Neonaziangriff auf eine Gruppe alternativer Jugendlicher auf dem Gelände der Alten Papierfabrik im April 2010 von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus Merseburg und Umgebung gegründet wurde und sich seitdem für den Erhalt eines eigenen Treffpunkts engagiert, steht kurz vor der Verwirklichung ihres Ziels. Gerade hat sie – nach etlichen Aktivitäten, Gesprächen mit politischen Akteur_innen vor Ort und mit Zuspruch und Unterstützung von engagierten Einzelpersonen und Institutionen eine geeignete Immobilie in Merseburg gefunden. Zur Verwirklichung ihrer Ideen ist die Initiative jetzt dringend auf praktische Hilfe angewiesen.

Die etwa 25 Jugendlichen und jungen Erwachsenen wollen einen geschützten, angstfreien und selbstbestimmten Raum schaffen, in dem Diskriminierung und Ausgrenzung keinen Platz haben. Der zukünftige Treffpunkt der Initiative Alternatives Merseburg soll Räume für selbst organisierte Workshops, Lesungen und Konzerte, ein Theaterprojekt, Proberäume sowie Möglichkeiten bieten für künstlerische und sportliche Aktivitäten, aber auch für einen alltäglichen Austausch.

6.000 Euro beträgt der Kaufpreis für die Immobilie im Besitz der Gebäudewirtschaft Merseburg GmbH, welche die „Initiative alternatives Merseburg“ erwerben möchte. Geschätzte 1000 Euro werden für notwendige Instandsetzungsarbeiten am Objekt – einem 3-stöckigen Haus in Innenstadtnähe mit ca. 350 Quadratmetern Nutzfläche – benötigt. Die Renovierungs- und Aufräumarbeiten sowie die monatlich anfallenden Kosten können die engagierten Jugendlichen eigenständig erbringen.

Der Aufbau und die kontinuierliche Unterstützung von selbst organisierten Räumen für nicht-rechte und alternative Jugendliche gehörten zu den effektivsten Strategien, um in Regionen mit einer aktiven Neonaziszene extrem rechten Dominanzbestrebungen erfolgreich zu begegnen und damit möglichst vielen Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, sich für eine Jugendkultur mit demokratischen, an Menschenrechten orientierten Werten zu engagieren. Zudem ist eine materielle Unterstützung des Projekts durch Geld- oder Sachspenden ein dringend notwendiges Zeichen der Solidarisierung mit den Opfern rechter Gewalt in Merseburg sowie die Anerkennung ihrer Bedürfnisse und ihres Engagements.

Die Mobile Opferberatung unterstützt und berät die Initiative Alternatives Merseburg seit dem Angriff am 25. April 2010. Daher möchten wir Sie bitten, nunmehr die Initiative mit einer Spende zu unterstützen.

Spendenkonto:
Kontoinhaber: Miteinander e.V.
Konto-Nr.: 53 53 53
Bankleitzahl: 810 205 00
Verwendungszweck: Alternatives Merseburg

Da Miteinander e.V. – der Träger der Mobilen Opferberatung – als gemeinnützig anerkannt ist, ist Ihre Spende steuerlich absetzbar. Auf Wunsch wird Ihnen gern eine Spendenbescheinigung übersandt. Gehen mehr Spenden ein als benötigt werden, kommen sie dem Opferfonds für Betroffene fremdenfeindlicher und rechtsextremer Gewalt in Sachsen-Anhalt bei Miteinander e.V. und damit weiteren Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt zugute (mehr zum Opferfonds unter www.miteinander-ev.de).

Bei Rückfragen können Sie sich gern jederzeit an uns wenden.

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Auszug der Chronik politisch rechts motivierter Angriffe in Merseburg

08.07.2010
Gegen 22:00 Uhr pöbeln drei offenbar alkoholisierte Männer lautstark vor einem Döner-Imbiss herum. Als der Mitarbeiter des Lokals ihnen den Zutritt verwehrt, dreht ihm einer der Männer denn Arm um. Die anderen beiden schlagen unter rassistischen Beschimpfungen auf den Betroffenen ein.

25.04.2010
Kurz nach Mitternacht stürmen etwa 20, mit Baseballschlägern und Eisenstangen bewaffnete Neonazis gezielt auf eine Gruppe Alternativer los, die auf dem Gelände der Alten Papierfabrik an einem Lagerfeuer sitzen. Mehrere Alternative, die nicht schnell genug fliehen können, werden zu Boden geschlagen. Etliche Angreifer treten u.a. gezielt auf die Köpfe von zwei am Boden liegenden Betroffenen ein. Weitere Neonazis verfolgen währenddessen gezielt die Flüchtenden. Da der Bereich der Alten Papierfabrik von Wasser umgeben ist und die Angreifer über den einzigen Zugang kamen, verstecken sich die Betroffenen in Panik in Gebüschen oder Erdgruben. Mit Steinwürfen versuchen die Neonazis, die Jugendlichen in der Dunkelheit aufzuspüren, während diese hoffen, dass die von ihnen alarmierte Polizei bald eintrifft. Bei dem Angriff rufen die Neonazis u.a. „Scheiß Zecken“ und „Merseburg bleibt deutsch“. Zudem drohen sie, es sei „noch nicht vorbei“. Bevor Beamte am Tatort eintreffen flüchten die Angreifer. Vier Betroffene müssen mit Hämatomen, Schürfwunden und Prellungen ambulant behandelt werden. Ein 26-Jähriger verliert zudem u.a. einen Zahn und ein 22-Jähriger muss mit Kopfverletzungen stationär behandelt werden.

23.10.2009
Am Abend greifen ca. 15 Vermummte mit Parolen wie „Scheiß Antifacista“ erneut etwa 10 Jugendliche im Schlossgarten an. Zwei Jugendliche werden am Oberkörper und im Gesicht verletzt, weitere mit Flaschen beworfen.

16.10.2009
Im Schlossgarten greifen gegen Mitternacht ca. zehn Rechte unter Rufen wie „Scheiß Zecken“ mehrere feiernde Jugendliche an. Einem Alternativen der nicht schnell genug flüchten kann, wird u.a. ein Zahn herausgeschlagen.

07.06.2009
Gegen 16:40 Uhr wird ein Mitarbeiter eines Beratungsprojekts in der Bahnhofsunterführung aus einer sechs- bis achtköpfigen Gruppe heraus mit „Na Nazijäger, wieder unterwegs? Jetzt rennst du, wir kriegen dich!“ angesprochen. Der Betroffene flieht in die Bahnhofsbuchhandlung, die anwesende Verkäuferin informiert unmittelbar die Polizei. Noch während ihres Telefonats kommt der Rechte in den Laden und droht dem Betroffenen damit, ihn beim nächsten Mal totzuschlagen. Dann verlässt er mit der Gruppe das Bahnhofsgebäude.

28.06.2008
Zwei alternative Jugendliche werden am Bahnhof von einem Rechten aus einer ca. sechsköpfigen Gruppe heraus u.a. als „Scheiß Zeckenschweine“ beschimpft. Ein 19-jähriger Alternativer wird mit der Faust ins Gesicht geschlagen, kann aber gemeinsam mit seiner 17-jährigen Begleiterin auf den Bahnsteig flüchten. Der Angreifer verfolgt die Jugendlichen, bepöbelt sie weiter und stößt sie auf die Bahngleise. Dann springt der Rechte hinterher und versetzt dem Alternativen nochmals einen Faustschlag ins Gesicht. Der 19-Jährige erleidet u.a. eine Platzwunde im Gesicht, die 17-Jährige Schmerzen am Fuß. Sie erstatten Anzeige.

12.10.2007
Vor dem städtischen Krankenhaus versetzt ein Rechter nach Pöbeleien einem Punk einen Faustschlag ins Gesicht. Später greift er den Betroffenen mit CS-Gas an.

08.09.2007
Ein 16-jährigerAlternativer wird gegen ein Uhr nachts auf der „Kneipenmeile“ von zehn augenscheinlich Rechten umstellt und beschimpft. Dann schlagen und treten drei aus der Gruppe auf ihn ein und verletzen ihn u.a. an Kopf und Hand.

13.07.2007
Am späten Abend greifen mehrere Neonazis unter Rufen wie „Scheißzecken“ und „Das ist unsere Stadt“ mehrere feiernde Jugendliche im Schlossgarten an. Fünf der Betroffenen werden zum Teil erheblich verletzt.

22.06.2007
Ein 20-jähriger Alternativer und sein Begleiter werden nachmittags vor einem Supermarkt aus einer Gruppe von vier Rechten bedroht. Einer der Rechten versetzt ihm ein Kopfstoß, sodass der Betroffene ein Stück seines Vorderzahnes verliert.

20.06.2007
Ein 16-Jähriger wird von drei Rechten in einem Fußgängertunnel am Bahnhof verfolgt und mehrfach zu Boden getreten.

01.06.2007
Am Abend wird ein 16-jähriger Punk vor einem Supermarkt von fünf Rechten massiv geschlagen und getreten. Ein Kassierer des Marktes alarmiert währenddessen die Polizei.