Anlaufstelle Süd (Halle), 08.05.2015

Solidarität mit den Betroffenen neonazistischer und rassistischer Gewalt

Unter dem Motto „Focus the Facts – Euer nationalistisches Heimatgefühl nicht zum bitteren Alltag werden lassen!“ haben antifaschistische Strukturen aus Bitterfeld und Umgebung zu einer überregionalen Demonstration am 10. Mai ab 14 Uhr in Bitterfeld aufgerufen. Die Mobile Opferberatung unterstützt den Aufruf zur Demonstration, weil das Ausmaß neonazistischer Gewalt in Bitterfeld-Wolfen seit Monaten von den politischen Verantwortlichen auf Stadt- und Kreistagsebene verharmlost und den Betroffenen in klassischer Täter-Opfer-Umkehr eine Mitverantwortung für die Gewalt der Neonazis zugeschoben wird.

Hintergrund ist eine massive Zunahme von neonazistischen Drohungen und Gewalttaten in Bitterfeld-Wolfen, bei denen u.a. Neonazis in Wohnungen von nicht-rechten Jugendlichen eingedrungen sind, die Betroffenen zum Teil schwer verletzt und mit dem Tode bedroht haben. Dass die Täter_innen völlig skrupellos das Leben ihrer Opfer aus Spiel setzen, zeigte sich auch in dem Brandanschlag auf das Alternative Kulturwerk (AKW) Bitterfeld in der Nacht vom 17. zum 18. April. Ein Wohnwagen, der als Schlaf- und Arbeitsraum diente und in dem sich zu diesem Zeitpunkt nur zufällig keine Personen aufhielten, brannte aus.

Rechte Gewalt: eine Frage der Wahrnehmung

Während zwei Wochen zuvor nach dem Brandanschlag auf die geplante Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz ein bundesweiter Aufschrei gegen Rassismus und rechte Gewalt erfolgte, Politiker_innen von einer „Schande für Deutschland“ sprachen, Medien ausführlich berichteten und zahlreiche Solidaritätsbekundungen für den von Morddrohungen betroffenen ehemaligen Bürgermeister der Stadt geäußert wurden, blieben die zahlreichen Angriffe gegen linke Jugendliche und Erwachsene in Bitterfeld in der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt.

Neun Angriffe registrierte die Mobile Opferberatung seit Ende Februar für die Stadt Bitterfeld-Wolfen, das sind in zwei Monaten dreimal so viele wie im gesamten Jahr 2014 im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Doch anstatt sich solidarisch mit den Betroffenen zu zeigen, deuten die Oberbürgermeisterin der Kreisstadt Petra Wust (parteilos) und der Kreisvorstand Die Linke Anhalt-Bitterfeld in ihren Erklärungen die eindeutig von der Neonaziszene ausgehenden Angriffe zu „Auseinandersetzungen zwischen der linken und rechten Szene“ um. Dabei gehören die aktuell von rechter Gewalt Betroffenen zu den Wenigen im Landkreis, die sich gegen Rassismus engagieren und Flüchtlinge aktiv unterstützen.

„Mit der Leugnung von Realitäten und der Entsolidarisierung mit den Betroffenen rechter Gewalt durch die politischen Verantwortlichen vor Ort werden die Täter_innen gestärkt“, kritisiert eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Wir hoffen, dass möglichst viele Menschen am Sonntag in Bitterfeld-Wolfen auf die Straße gehen und damit den Aktionen von Neonazis und Rassisten Grenzen setzen“, so die Sprecherin weiter.

Neonazis mobilisieren

Ähnlich wie die Neonazigruppe „Brigade Halle/Saale“ mobilisiert auch das Neonazi-Netzwerk „Old School Society“ (OSS) für eine Gegenveranstaltung zur Antifademo am Sonntag nach Bitterfeld-Wolfen – mit dem erklärten Ziel, die Antifaschistische Demonstration „Focus the Facts“ zu stören. Auf ihrer Facebook-Seite verbreitete die OSS, gegen die der Generalbundesanwalt wegen Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt, mit eigenem Kommentar einen entsprechenden Aufruf des Bitterfelder Neonazis Mathias Theiss.

LINKS
Demoaufruf und Hintergründe