Anlaufstelle Mitte (Magdeburg), 13.02.2006

Nur ein Ausschnitt aus der Realität:

Insgesamt 129 Angriffe mit einem rechten oder rassistischen Hintergrund hat die Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt für das Jahr 2005 in Sachsen-Anhalt registriert. Damit ist die Anzahl der bekannt gewordenen Angriffe mit rechter und rassistischer Motivation im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Fünftel gestiegen gegenüber den 109 Fällen rechts und rassistisch motivierter Gewalttaten, die die Mobile Opferberatung für das Jahr 2004 registriert hatte. Das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt hatte für das Jahr 2004 die Öffentlichkeit über 73 rechtsextrem und fremdenfeindlich motivierte Gewaltdelikte informiert.

„Die Mobile Opferberatung geht davon aus, dass sowohl die von den Anlaufstellen als auch vom Landeskriminalamt registrierten rechten und rassistischen Angriffe nur einen Ausschnitt rechter und fremdenfeindlicher Gewalt in Sachsen-Anhalt abbilden und erfassen,“ sagt eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Das Dunkelfeld in diesem Bereich ist nach wie vor hoch.“

Hauptopfergruppe: Alternative und nicht-rechte Jugendliche und junge Erwachsene

Eine traurige Spitze mit 38 Gewalttaten verzeichnen die Harzregion sowie die Stadt Magdeburg mit 16 bekannt gewordenen Angriffen mit fremdenfeindlicher oder rechter Motivation. Alternative und nicht-rechte Jugendliche sowie junge Erwachsene bilden die zahlenmäßig größte Betroffenengruppe. Insgesamt registrierte die Mobile Operberatung 192 direkt Betroffene rechter Gewalt, darunter 108 nicht-rechte bzw. alternative und 25 politisch aktive Betroffene sowie 52 MigrantInnen und Asylsuchende. In rund 75 Prozent der Fälle haben die Betroffenen entweder Anzeige erstattet oder die Ermittlungsbehörden haben Kenntnis von den Angriffen.

Rechten Gewalttaten auf alternative oder politisch aktive Jugendliche und junge Erwachsene gehen oftmals genaue Planungen der Täter voraus, die in vielen Fällen dem Umfeld von militanten Freien Kameradschaften zuzurechnen sind. Wie beispielsweise eine sechsköpfige Gruppe von Rechten aus Quedlinburg und Umgebung, die am 18. Juni 2005 in das Café des soziokulturellen Dachvereins Reichenstraße eindrangen, die Gäste fotografierten und als „Zecken“ beleidigten und dann auf ein Kommando ihres Anführers mit einem mitgebrachten Baseballschläger, Billardqueues und Billardkugeln mit gezielter Brutalität auf die Anwesenden losgingen. Dabei wurden einem 30Jährigen mehrere Vorderzähne ausgeschlagen. Ein weiteres Beispiel ist der Angriff auf einen am Homburger See bei Wernigerode zeltenden Punk am 25. Juni 2005 , der in den frühen Morgenstunden von einer Gruppe Neonazis überfallen wurde, die ihm durch Tritte und Schläge ins Gesicht massive Kopfverletzungen zufügten. Als mutmaßlicher Haupttäter muss sich der polizeibekannte Neonazi Manuel R. von der mittlerweile aufgelösten Wernigeröder Aktionsfront demnächst vor Gericht verantworten.

Alltäglich: Rassistische Angriffe

Auffällig ist, dass Angriffe auf MigrantInnen und Asylsuchende überwiegend in alltäglichen Situationen und an alltäglichen Orten stattfinden, beispielsweise an Haltestellen, Bahnhöfen oder in öffentlichen Nahverkehrsmitteln. Die Täter handeln zumeist spontan und in Gruppen – sie agieren offen, selbstbewusst und fühlen sich offensichtlich legitimiert, ihre Fremdenfeindlichkeit mit Gewalt zum Ausdruck zu bringen. So wie am 9. September 2005 in einer Straßenbahn in Halle, als der seit Ende der 1980er Jahre als Aktivist der Halleschen Naziskinheadszene bekannte Peter Hollmann mit drei weiteren Kontrolleuren, die bei einem Subunternehmen der Halleschen Verkehrs AG arbeiteten, zunächst auf einen 30jährigen Mann aus Gambia und dann auf einen zivilcouragierten Passanten einschlugen.

Neues internetgestütztes Meldesystem: Blickpunkt: Rechte Aktivitäten melden!

Um das Ausmaß rechter Aktivitäten und rechter Gewalt besser abbilden und die Betroffenen schneller unterstützen zu können, findet sich ab heute auf www.mobile-opferberatung.de des internetgestützte Meldesystem „Im Blickpunkt: Rechte Aktivitäten melden“! Im Aufruf dazu heißt es u.a.: „Hier auf unserer Internetseite können Sie/kannst Du uns jetzt mitteilen, was sich ereignet hat. Es geht dabei nicht allein um Angriffe, rassistische oder antisemitische Beleidigungen etc. Uns interessieren auch rechte Konzerte, Aufmärsche, Saalveranstaltungen, Mahnwachen, Flugblattverteilaktionen, geschmierte Parolen, Gegröle usw. Denn darauf folgen oft Gewalttaten gegen all diejenigen, die nicht ins rechte Weltbild passen. Es geht um rechte Angriffe und Aktivitäten, die Sie/Dich betreffen, bedrohen, empören, beunruhigen oder aufhorchen lassen (…)“.