Anlaufstelle Mitte (Magdeburg), 28.03.2006

Staatsanwaltschaft wertet rassistischen Angriff auf Irakerinnen u. deren Kleinkinder lediglich als Beleidigung / Opferberatung fordert dauerhaftes Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt

Knapp zwei Jahre nach einem rassistischen Angriff auf zwei irakische Frauen und deren Kleinkinder in Quedlinburg findet am Donnerstag, den 30. März 2006, ab 12:30 Uhr vor der Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Quedlinburg ein Prozess gegen die zwei mutmaßlichen Täter statt. Die Staatsanwaltschaft Halberstadt wirft dem heute 18jährigen Danilo K. und dem heute 23jährigen Daniel S. gemeinschaftliche Beleidigung und Volksverhetzung vor.

Am 14. Mai 2004 wurden die beiden Irakerinnen, die in Begleitung ihrer zweieinhalb- und fünfjährigen Kinder waren, mittags in der Quedlinburger Gartenstraße zunächst aus einer Gruppe von vier rechten jungen Männern im „Glatzenoutfit“ und zwei Frauen rassistisch beschimpft und angepöbelt. Dabei fielen u.a. Beleidigungen wie „Scheiß Ausländer, geh zurück in dein Land“ und „Tempelnutte“. In Anspielung auf das Kopftuch einer der Irakerinnen wurde die Aufforderung gebrüllt:“ Mach den Kopf frei, wir sind in Deutschland“. Danilo K. soll dann zudem mit einer Bierflasche, die er in der Hand hielt, zum Schlag gegen die Kopftuch tragende Irakerin ausgeholt haben. Zwei seiner Begleiter hinderten ihn jedoch daran. Als die Gruppe der Rechten beobachtete, dass Passanten die Polizei anriefen, flüchteten sie vom Ort des Geschehens, wurden jedoch wenig später festgenommen.

Insbesondere die Kleinkinder der heute 35jährigen und 27jährigen Irakerinnen, die Ende der 1990er Jahre vor der Diktatur von Saddam Hussein nach Deutschland flohen, sind durch die Angriff noch immer traumatisiert und geraten schnell in Panik und Angstzustände.

Danilo K. war zum Zeitpunkt des Angriffs auf die Irakerinnen und ihre Kinder haftverschont. Er hatte knapp zweieinhalb Monate zuvor, am 27. Februar 2004, einen 17jährigen Punk in Quedlinburg zunächst mit Messerstichen so schwer verletzt, dass der Betroffene als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. In der Nacht nach dem Angriff versuchte Danilo K. in Begleitung eines weiteren Rechten ins Krankenhaus einzudringen, um sein Opfer dort erneut zu überfallen. 48 Stunden später schlugen die beiden mit Baseballschlägern die Haustür eines nicht-rechten Jugendlichen ein. Bei der Festnahme wurden bei Danilo K. und Daniel S. u.a. Hakenkreuz-Aufkleber und neonazistische Musik gefunden.

Am 26. August 2004 wurde Danilo K. vom Amtsgericht Quedlinburg wegen gefährlicher Körperverletzung und der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren auf drei Jahre Bewährung verurteilt. Er nahm zuletzt u.a. am 14. Oktober 2005 an einem Aufmarsch der Neonaziszene in Wernigerode teil.

Daniel S. kam im Juli 2004 beim Landgericht Magdeburg wegen gefährlicher Körperverletzung mit einer richterlichen Weisung und einer Arbeitsauflage davon; im Juni 2001 hatte er für die gemeinschaftliche Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ebenfalls eine richterliche Weisung und eine Arbeitsauflage erhalten.

„Es bleibt unverständlich, dass die Staatsanwaltschaft Halberstadt hier den Vorwurf der versuchten Körperverletzung nicht erhoben hat,“ kritisiert eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. An das Innenministerium richtet die Mobile Opferberatung die Forderung, den betroffenen Irakerinnen und ihren Familien als Opfer rassistischer Gewalt ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu gewähren. „Mit der Aufhebung des Abschiebestopps in das Bürgerkriegsland Irak droht auch diesen Frauen und Kindern in absehbarer Zeit die Abschiebung,“ so die Mobile Opferberatung. „Ein dauerhaftes Bleibebrecht für sie wäre ein klares Zeichen an rechte Gewalttäter: Dass die Landesregierung Partei für Opfer rassistischer Gewalt ergreift und der gewaltsamen Forderung ‚Ausländer raus’ ganz praktisch entgegen tritt.“