Anlaufstelle Mitte (Magdeburg), 04.05.2006
Die Mobile Opferberatung in Sachsen-Anhalt registrierte seit Jahresbeginn 42 politisch rechts oder rassistisch motivierte Gewalttaten auf nicht-rechte und alternative Jugendliche sowie Asylsuchende und MigrantInnen. 17 dieser Angriffe waren rassistisch motiviert und richteten sich gegen MigrantInnen und Flüchtlinge. „Das hohe Niveau rechter Gewalttaten in Sachsen-Anhalt ist besorgniserregend,“ so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Damit setzt sich der Trend aus dem Jahr 2005 weiter fort.“ Zu den schon bekannten regionalen Schwerpunkten wie Magdeburg, Dessau und die Harzregion kommen nun auch Städte wie Köthen und Aschersleben hinzu.
Drei Beispiele:
*Am Abend des 20. April 2006 werden ein 39-jähriger Mosambikaner und sein Sohn gegen 19:30 Uhr in Magdeburg-Neustadt zunächst von einer rechten Gruppe mit rassistischen und neonazistischen Sprüchen beleidigt. Der 39-Jährige ruft mehrfach über Notruf die Polizei, die erst nach 20 Minuten vor Ort eintrifft. In der Zwischenzeit hat einer der Rechten dem Betroffenen mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Die Gruppe der Angreifer hatte zuvor offensichtlich an einer neonazistischen Zusammenkunft teilgenommen.
* Kurz vor Mitternacht am 7. April 2006 trifft ein 19-jähriger Punk in Aschersleben auf der Straße auf einen stadtbekannten gleichaltrigen Rechten. Während eines kurzen Gesprächs bemerkt der Punk, wie der Neonazi mit seinem Handy jemanden anklingelt. Kurz darauf kommen etwa ein Dutzend Personen bedrohlich auf den 19-Jährigen zu. Der Punk versucht, in ein Haus zu flüchten. Es gelingt ihm aber nicht, die Eingangstür vollständig zu schließen. Plötzlich findet sich der Betroffene im Keller des Hauses auf dem Boden liegend wieder. Mehrere Personen treten gezielt auf seinen Kopf ein. Als der Betroffene mehrmals um Hilfe schreit, lassen die Angreifer schließlich von ihrem Opfer ab. Bevor sie flüchten, zerschlagen sie noch die Scheibe der Haustür. Der Betroffene erleidet Augen- und Zahnverletzungen.
* Am 2. Januar 2006 wird in Quedlinburg ein Obdachloser gegen 20:00 Uhr am Bahnhof von zwei augenscheinlich Rechten angegriffen. Die Angreifer reißen den 44-Jährigen zu Boden, treten auf den Mann ein und beschimpfen ihn unter anderem als „Assi“. Der stark aus der Nase blutende Betroffene muss stationär im Krankenhaus behandelt werden.
„Die Täter fühlen sich durch die verstärkten Aktivitäten und das offensive Auftreten der neonazistischen Kameradschaften in Sachsen-Anhalt ermutigt,“ beobachtet die Mobile Opferberatung. Am 1. Mai demonstrierten rund 400 Neonazis aus Sachsen-Anhalt und Thüringen völlig ungehindert in Magdeburg. Am 22. April demonstrierten rund 300 Neonazis aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen in Halberstadt. Gemeinsam mit NPD und JN agieren die Kameradschaften zunehmend offensiver und selbstbewusster.
Mit der Veranstaltung „Solidarität mit den Opfern rechter Gewalt!“, die die Mobile Opferberatung gemeinsam mit dem DGB Halberstadt und dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein am heutigen Donnerstag an der FH Harz in Halberstadt durchführt, sollen u.a. Handlungsoptionen von Kommunen und der Umgang der Justiz mit rechter Gewalt untersucht werden.
Auf unserer Homepage www.mobile-opferberatung.de finden Sie eine Auswahl von 28 rechtsextrem und rassistisch motivierten Gewalttaten seit Jahresbeginn 2006. Auf Wunsch der Betroffenen und zu deren Schutz können wir 14 Angriffe bislang nicht veröffentlichen.