Ende 2022 wird Umzugsunternehmer und AfD-Kreistagsmitglied Sven Ebert am Amtsgericht Halle wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ebert war vorgeworfen worden, zwei Studenten im April 2019 in Halle mit Pfefferspray attackiert zu haben. Das Gericht glaubt den Betroffenen, erkennt beim Angeklagten aber keine politische Motivation für die Tat.

von Lilli Neuhaus

An einem sonnigen Tag Anfang April 2019 kommen zwei 28 und 29 Jahre alte Studenten aus der Mensa in der Innenstadt von Halle. Mit einem E-Roller und Essen zum Mitnehmen in der Hand laufen die beiden die Straße Harz hinunter, als sie an der aufgedruckten Werbung für sein Umzugsunternehmen das Auto von AfD-Kreistagsmitglied Sven Ebert erkennen. Es parkt entgegen der Fahrtrichtung. Um den darinsitzenden AfD-Politiker auf seinen Parkverstoß hinzuweisen, klopft der 29-Jährige an die Scheibe des Autos und geht weiter. Ebert aber steigt aus und beleidigt die beiden Studenten unter anderem lautstark als „Stalinisten“ und „Nazis“. Schließlich sprüht Sven Ebert dem damals 28-jährigen Studenten ohne Vorwarnung kurz hintereinander zweimal mit einem Pfefferspray direkt ins Gesicht. Auch der 29-jährige bekommt etwas vom Pfeffernebel ab, beide müssen ambulant im Krankenhaus behandelt werden.

Studenten zeigen Zivilcourage in der Mensa

Mitte April 2020 erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung gegen den zur Tatzeit 50-jährigen Ebert. Es vergehen mehr als zweieinhalb Jahre, bis der Vorwurf im Dezember 2022 am Amtsgericht Halle verhandelt wird. Beide Betroffene treten als Nebenkläger auf und sind anwaltlich vertreten.

Der mittlerweile 32-jährige Betroffene berichtet zur Einordnung der Tat vor Gericht über eine erste persönliche Begegnung mit Sven Ebert einige Wochen vor dem Angriff: So hätten die beiden Studenten den AfD-Politiker erkannt, als dieser mit einem T-Shirt der extrem rechten „Identitären Bewegung“ in die Mensa gekommen sei. Die beiden hingegen stehen für eine offene und tolerante Gesellschaft: „Die Uni ist ein offener Ort“, erklärt der Betroffene vor Gericht. Daher seien sie auf Ebert zugegangen und hätten ihn auf sein Shirt angesprochen, woraufhin dieser sie lautstark beleidigt und sie in der Folge selbst wegen angeblicher Beleidigung angezeigt habe.

Täter-Opfer-Umkehr und Entpolitisierung durch den Angeklagten

Als Ebert sie am Tag des Angriffs im April erneut wüst beschimpfte, hätten die Studenten entschieden, die Situation mit dem Handy zu filmen. So hätten sie dokumentieren wollen, dass der AfD-Politiker derjenige ist, der beleidigt und nicht umgekehrt, erklärt der 32-jährige Nebenkläger vor Gericht. Auf Nachfrage nach dem Wortlaut der Beschimpfungen erinnert er sich noch an „Verpisst’ euch aus meiner Stadt!“, „Stalinisten“ und „Nazis“.

Auch die ausschweifende Einlassung Eberts vor Gericht kommt offenbar nicht ohne sexistische und homofeindliche Bezeichnungen der Betroffenen aus. Er behauptet, fälschlicherweise auf der Anklagebank zu sitzen, da er selbst Opfer von „Stalking und Übergriffigkeit“ der beiden Nebenkläger sei. Den Einsatz des Pfeffersprays gegen sie räumt er zwar ein, behauptet aber, sich in einer Notwehrsituation befunden zu haben. Beide seien auf ihn zugesprungen und einer habe einen E-Roller gegen ihn schleudern wollen.

Ebert bezeichnet sich zudem selbst als „Punk zweiter Generation aus Halle“, der sich früher „noch mit richtigen Nazis rumgeschlagen“ habe. Er glaube, dass die Nebenkläger „sich mangels echter Nazis als Nazijäger profilieren und groß machen wollen“. Auf Fragen der Nebenklage werde er nicht antworten, so sein Verteidiger Björn Fehse.

Doch die Fakten sprechen gegen seine Selbstdarstellung. Der AfD-Politiker und Umzugsunternehmer ist nicht nur Kreistagsmitglied im Saalekreis, er pflegt zudem Kontakte zu organisierten Rechten. So nahm Ebert mehrfach an Veranstaltungen des extrem rechten „Instituts für Staatspolitik“ sowie des Neonazis Sven Liebich teil. Mit dem Namen seiner Firma machte Ebert 2016 Werbung für das Buch eines extrem rechten Autors.1 Wenige Monate nach dem Angriff auf die beiden Studenten 2019 hielt Ebert bei einer Demonstration der „Identitären Bewegung“ in Halle eine Rede.2

„Der Angriff hat mein Sicherheitsgefühl beeinträchtigt.“

Der heute 31-jährige Hauptbetroffene berichtet vor Gericht, dass sein Gesicht nach dem Pfefferspray-Angriff sofort sehr zu brennen angefangen habe. Er erzählt, wie er gedacht habe, seine Gesichtshaut löse sich ab. Beide Betroffene schildern zudem, dass sie sich nach dem Angriff in der Halleschen Innenstadt nicht mehr so sicher gefühlt haben wie davor. Nebenklagevertreterin Ilil Friedman betont, dass der Angriff mit für die Entscheidung ihres Mandanten verantwortlich gewesen sei, aus Halle wegzuziehen. „Der Angriff von Sven Ebert hat mein grundsätzliches Sicherheitsgefühl beeinträchtigt“, fasst der heute 31-Jährige zusammen.

Zwei weitere Zeug*innen und die Sichtung der beiden Handyvideos bestätigen die Aussagen der beiden Betroffenen über den Ablauf weitgehend. In den Videos ist zu sehen, wie die beiden in normalem Schritttempo die Straße überqueren. Und wie Sven Ebert dem 28-Jährigen mit den Worten „Geht aus meinem Dunstkreis!“ Pfefferspray ins Gesicht sprüht.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft Halle sieht die Anklagepunkte der gefährlichen Körperverletzung schließlich „im Wesentlichen bestätigt“ und fordert eine Haftstrafe von 6 Monaten auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Auf eine politisch rechte Motivation für den Angriff, die bei Feststellung entsprechend strafschärfend zu berücksichtigten wäre, geht sie im Gegensatz zu beiden Nebenklagevertreter*innen nicht ein.

Richter erkennt einzig bei Betroffenen politisches Motiv

Das Gericht verurteilt Sven Ebert wegen gefährlicher Körperverletzung zu sechs Monaten Haft auf zwei Jahre Bewährung. In seiner Urteilsbegründung folgt der Vorsitzende Richter Thoren Sarunski zum Großteil den Schilderungen der Betroffenen zum Tathergang. Auch weist er die von Ebert behauptete Notwehrsituation als unzutreffend zurück.

Die Motivation der Betroffenen „den politischen Gegner auf Verkehrsverstöße hinzuweisen“ könne er allerdings nicht ganz nachvollziehen, so der Richter. In einem solchen Fall solle man das Ordnungsamt oder die Polizei informieren, statt selbst tätig zu werden. Die Entscheidung der Betroffenen, Ebert anzusprechen, ordnet der Richter als politisch motiviert ein.

Demgegenüber könne der Vorsitzende aber letztlich nicht feststellen, dass das Sprühen des Angeklagten mit dem Pfefferspray politisch motiviert gewesen ist. Der Angeklagte sei eben „von aufbrausender Natur“ und „konnte sich in dieser Situation nicht auf die Zunge beißen“, so der Richter. Strafschärfend sei zu werten, dass der Angeklagte mehrmals gesprüht habe.

Dies stößt bei den Betroffenen auf Unverständnis und Kritik: „Er hat uns angegriffen, weil wir seine politischen Gegner sind und er versucht, seine Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Das heißt, es wäre nicht passiert, wenn er nicht diese Ideologie vertreten würde.“, so der heute 32-Jährige nach der mündlichen Urteilsbegründung. Dass der Richter dies nicht deutlich benannt hat, findet er „sehr, sehr bedauerlich“. Der Angeklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

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1 vgl. „Buchtipp“-Geber: Werbung für Akif Pirinçci“ (MZ, 22.06.2016)

2 vgl. „Identitäre scheitern an Protest“ (ZEIT, 21.07.2019)