Anlaufstelle Mitte (Magdeburg), 11.04.2008

Am Montag, den 14.4. beginnt vor dem Landgericht Magdeburg die Berufungsverhandlung gegen drei Rechte, die im November 2006 wegen gefährlicher Körperverletzung an einem zum Tatzeitpunkt 19-jährigen Punk im August 2003 in Wernigerode verurteilt wurden. Martin K. (23), führender Neonaziaktivist im Landkreis Wernigerode, sowie Karsten F. (24), der schon unmittelbar nach dem Angriff seine Tatbeteiligung eingeräumt hatte, waren dafür vom Amtsgericht Wernigerode lediglich gegen Auflagen verwarnt worden. Alexander M. (26) wurde zu einer Haftstrafe von sechs Monaten mit zweijähriger Bewährung verurteilt. Gegen dieses Urteil legten die Angeklagten Berufung ein, über die nun das Landgericht Magdeburg entscheiden muss.

Die drei Angeklagten gehörten zu einer Gruppe von etwa 15 bis 20 Rechten, die am 5. August 2003 gegen 0.50 Uhr vor der Sparkasse am Platz des Friedens in Wernigerode eine ca. achtköpfige Gruppe von Punks und nicht-rechten Jugendlichen geplant und gezielt überfielen. Einige der Rechten waren mit Baseballschlägern und Ketten bewaffnet; einer führte einen Kampfhund mit. Ein damals 19-jähriger Punk konnte nicht schnell genug fliehen. Er wurde von Neonazis zu Boden gerissen und mit Fäusten geschlagen. Dann traten mindestens vier Rechte mit Springerstiefeln auf ihn ein. Eine Freundin des Betroffenen warf sich schließlich über den bewusstlosen Punk, um ihn vor weiteren Tritten zu schützen. Einer der Neonazis versetzte dem 19-Jährigen noch einen gezielten Schlag mit einem Knüppel auf den Hinterkopf. Der Betroffene wurde so schwer am Kopf und am Oberkörper verletzt, dass er mit der Notfallambulanz ins Krankenhaus gebracht werden musste.

Obwohl die Polizei ihre Ermittlungen bereits im Oktober 2003 beendete und das Teilgeständnis eines der Angeklagten vorlag, stellte die Staatsanwaltschaft Halberstadt das Verfahren aus nicht nachvollziehbaren Gründen im November 2003 ein – ohne den Verletzten zu informieren. Ohne die Intervention und Beschwerde des Nebenklagevertreters des Betroffenen, den dieser im Juli 2004 einschaltete, wäre der Angriff vermutlich ungesühnt geblieben. So sah sich die Staatsanwaltschaft Halberstadt gezwungen, das Verfahren erneut aufzunehmen. Allerdings erhob die Staatsanwaltschaft Halberstadt erst im Januar 2006 dann Anklage wegen Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung gegen acht Rechte aus Wernigerode, Thale und Blankenburg – mehr als drei Jahre nach der Tat.

Ein erster Prozess gegen die drei Neonazis platzte im September 2006, weil einer der Angeklagten zum zweiten Hauptverhandlungstermin einfach nicht mehr erschien und das Amtsgericht Wernigerode keinerlei Zwangsmittel gegen ihn einsetzte. Zuvor hatte das Amtsgericht das Verfahren gegen fünf der acht Angeklagten abgetrennt und diese auf Antrag der Staatsanwaltschaft freigesprochen.

Der zweite Prozess endete dann mit einer Verurteilung der drei Angeklagten. Das geringe Strafmaß ist dabei wesentlich auf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen. Warum das Verfahren trotz hinreichenden Tatverdachts gegen mindestens vier Beschuldigte zunächst eingestellt und erst mehr als drei Jahre nach dem schweren Angriff die Hauptverhandlung eröffnet wurde, bleibt unverständlich. „Die Ermittlungen wurden nur unvollständig geführt – wichtige Lichtbilder von tatverdächtigen Personen wurden den Zeugen zunächst nicht vorgelegt. Außerdem verblasst die Erinnerungsfähigkeit der Zeugen selbstverständlich, wenn die Tat erst Jahre später verhandelt wird“, kritisiert Rechtsanwalt Benjamin Raabe, Nebenklagevertreter des Hauptbetroffenen.

Die rechte Szene in Wernigerode nahm die zögerliche Strafverfolgung nach dem Angriff als Freibrief, über zwei Jahre Jagd auf Punks in Wernigerode zu machen. So ist einer der Anführer der inzwischen aufgelösten und in die JN Wernigerode überführten Wernigeröder Aktionsfront (WAF) einer der Hauptverdächtigen des Angriffs gegen den 19-jährigen Punk.