Anlaufstelle Süd (Halle), 19.05.2008

Am Landgericht Magdeburg beginnt am Dienstag, den 20. Mai, ab 9 Uhr vor der 8. Strafkammer der Berufungsprozess gegen vier Rechtsextremisten aus Thale und Ballenstedt. Die heute 25- bis 28-jährigen Angeklagten sollen am 18. Juni 2005 das Café des soziokulturellen Dachvereins Reichenstraße in Quedlinburg gewaltsam angegriffen haben. Bereits zwei Wochen zuvor war der Hauptangeklagte und Rädelsführer Daniel B. mit weiteren Rechten in das soziokulturelle Zentrum eingedrungen, wobei ein Besucher durch Schläge und Tritte leicht verletzt wurde. Einen Tag zuvor hatte einer der Angeklagten erklärt, man wolle „Punks und Zecken“ aufmischen. Auch dieser Angriff wird nun erneut vorm Landgericht verhandelt.

Bei dem zweiten Angriff am 18. Juni 2005 verletzten die Neonazis einen der Besucher mit einer Billardkugel so massiv im Gesicht, dass er über ein Jahr in ärztlicher Behandlung bleiben musste. In erster Instanz hatte das Amtsgericht Quedlinburg am 29. August 2007 Daniel B. u.a. wegen dreifacher gefährlicher Körperverletzung zu zweieinhalb Jahren Haft sowie seine Mittäter Pierre K. zu 15 Monaten Haft, Ronny Z. und Tony A. wegen gefährlicher Körperverletzung zu 18 Monaten Haft auf vier Jahre Bewährung verurteilt.

In den frühen Morgenstunden des 18. Juni 2005 betrat ein halbes Dutzend Neonazis, darunter die vier Angeklagten, das so genannte „Bildercafé“ des soziokulturellen Dachvereins Reichenstraße. Schnell begannen die Männer und eine junge Frau zu pöbeln und Cafébesucher gegen ihren Willen zu fotografieren. Versuche des Cafébetreibers, die ungebetenen Gäste zum Verlassen aufzufordern, scheiterten. Stattdessen erklärte der Angeklagte Daniel B. laut Zeugenaussagen, er sei jetzt der Chef. Auf das Kommando von B. „Jetzt geht’s los“ begannen die Rechten mit einem mitgebrachten Baseballschläger zu prügeln. Sie warfen Flaschen und Billardkugeln auf Personal und Gäste, die geschockt von der massiven Gewalt versuchten, sich hinter Einrichtungsgegenständen und Tresen zu verstecken.

Dabei prügelten mehrere der Angeklagten u.a. mit einem Barhocker auf einen zur Tatzeit 27-jährigen Studenten ein, während der Angeklagte B. dem Betroffenen eine Billardkugel ins Gesicht warf. Durch den Wurf verlor der Betroffene kurzzeitig das Bewusstsein. Er erlitt eine Gehirnerschütterung, verlor einen Zahn und musste über ein Jahr lang ärztlich behandelt werden. Im erstinstanzlichen Prozess hatte ein Gutachter bestätigt, dass die durch den Wurf mit der Billardkugel verursachten Verletzungen potenziell lebensgefährlich gewesen seien. Den Tätern gelang es zunächst zu flüchten, weil nach einem Notruf nur zwei Polizeibeamte vor Ort erschienen und trotz mehrfacher Hinweise der Betroffenen, dass sich einige der Angreifer noch in der Nähe aufhalten würden, diese nicht verfolgten.

Das Schöffengericht Quedlinburg ging in seinem erstinstanzlichen Urteil davon aus, dass die Angeklagten „Andersdenkende“ zur Rechenschaft ziehen wollten. Auch die Staats-anwaltschaft Halberstadt geht von einer rechtsextremen Tatmotivation für die Angriffe aus, wobei diese bei der Strafzumessung nur ungenügend Berücksichtigung gefunden habe. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Angeklagten haben gegen das Urteil Berufung eingelegt. Weitere Verhandlungstage sind für den 21., 27. und 28. Mai 2008, jeweils ab 9.00 Uhr geplant.