Anlaufstelle Süd (Halle), 30.04.2008
Am Montag, dem 5. Mai 2008, 9.00 Uhr, beginnt vor dem Amtsgericht Bernburg der Prozess gegen einen 38jährigen Flüchtling aus Burkina Faso, dem die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung vorwirft. Dabei war der Flüchtling am 24. September 2006 selbst Opfer eines rassistischen Angriffs geworden aber noch am gleichen Tag von der Angreiferin angezeigt worden.
Tibo R. (Name geändert) hatte an diesem Abend vor einer besetzten Telefonzelle gewartet, als ihn plötzlich die Frau in der Zelle anschrie und aufforderte wegzugehen. Die Unbekannte beschimpfte ihn dabei mehrfach als „Scheiß Neger“. Um eine Eskalation zu vermeiden, ging Tibo R. weg, bemerkte aber bald, dass ihm die Frau folgte. Kurz darauf verspürte der damals 36Jährige einen heftigen Schmerz im Rücken. Offenbar hatte seine Verfolgerin einen Stein nach dem Betroffenen geworfen. Ein zweiter auf ihn gezielter Steinwurf verfehlte den Betroffenen. Tibo R. nahm beide Steine an sich und ging schnell weiter. Als die Frau einen weiteren Stein nehmen wollte, forderte er sie auf aufzuhören. Als sie darauf nicht reagierte, schlug er ihr mit der flachen Hand ins Gesicht, um sie von weiteren Steinwürfen abzuhalten.
Noch am gleichen Abend suchten zwei Polizeibeamte Tibo R. auf. Er berichtete den Beamten von dem rassistischen Angriff und der Notwehrsituation, übergab als Beweismittel die Steine und zeigte ihnen auch seine Verletzung am Rücken. Zwei Tage später, anlässlich einer Vernehmung des Betroffenen im Polizeirevier Bernburg wegen einer rassistischen Beleidigung im Juli 2006, stellte sich jedoch heraus, dass wegen des Angriff auf ihn bis dato keine Ermittlungen von Amts wegen eingeleitet waren.
Der Gerichtsprozess gegen Tibo R. sollte bereits am 18. März 2008 vor dem Amtsgericht Bernburg eröffnet werden. Doch die Hauptbelastungszeugin war ohne Entschuldigung nicht erschienen, woraufhin die Vorsitzende Richterin die Hauptverhandlung nicht eröffnete und alle anderen Zeugen wieder entließ. Zum kommenden Termin ist sie als alleinige Zeugin geladen. Ein zweiter Verhandlungstag ist für den 19. Mai 2008, ab 9:00 Uhr anberaumt, an dem weitere Zeugen vernommen werden sollen.
Für Tibo R. war es ein Schock, dass Anklage gegen ihn erhoben wurde: „Ich bin aus meinem Heimatland Burkina Faso geflohen, um in Frieden leben zu können. Ich wollte keine Probleme mit dieser Frau, auch wenn sie mich zutiefst gedemütigt hat. Es ist ungerecht und macht mich sehr traurig, dass ich nun auf der Anklagebank sitze.“, beschreibt Tibo R. seine Gefühle vor dem Prozess. Besonders bestürzt ist der Flüchtling über den Vorwurf, er hätte die Frau mit Steinen beworfen und sie mehrfach getreten.
„Tibo R. bleibt nichts anderes, als darauf zu vertrauen, dass vor Gericht die Wahrheit zu Tage kommt und er freigesprochen wird“, so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung