Anlaufstelle Süd (Halle), 07.08.2008

Prozessfortsetzung: Montag, den 11. Mai 2008, 10:00 Uhr
Amtsgericht Bernburg, Liebknechtstr. 2, Saal 122
Am Montag, den 11. August 2008, ab 10:00 Uhr wird der Prozess gegen einen 38jährigen Flüchtling aus Burkina, dem die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung vorwirft, mit der Vernehmung weiterer Zeugen fortgesetzt. Außerdem ist mit einer Einlassung des 38Jährigen zu rechnen, der aufgrund fehlender Dolmetscherin zur Prozesseröffnung noch nicht zu der Anklage Stellung nehmen konnte. Er war am Tattag, dem 24. September 2006, selbst Opfer eines rassistischen Angriffs geworden aber gleich darauf von der Angreiferin angezeigt worden.

Der Gerichtsprozess gegen Tibo R. (Name geändert) sollte bereits am 18. März 2008 vor dem Amtsgericht Bernburg beginnen. Doch die Hauptbelastungszeugin war ohne Entschuldigung nicht erschienen, weshalb die Richterin den Prozess nicht eröffnen wollte. Erst zum vierten anberaumten Termin am 22. Juli 2008 gelang es, die Zeugin polizeilich vorzuführen und zu vernehmen. Die 20jährige Hallenserin bestätigte, sichtlich genervt, im Wesentlichen die in ihrer Anwesenheit zuvor verlesene Anklageschrift gegen Tibo R. Demnach hätte Tibo R. sie verfolgt, woraufhin sie ihn mit Steinen beworfen hat. Er hätte dann auch mit Steinen geworfen und sie anschließend getreten. An Einzelheiten konnte sich die Zeugin jedoch auch auf mehrere Nachfragen des Verteidigers Matthias Thielemann hin nicht mehr erinnern.

Für Tibo R. war es ein Schock, dass Anklage gegen ihn erhoben wurde: „Ich bin aus meinem Heimatland Burkina Faso geflohen, um in Frieden leben zu können. Ich wollte keine Probleme mit dieser Frau, auch wenn sie mich zutiefst gedemütigt hat. Es ist ungerecht und macht mich sehr traurig, dass ich nun ohne Schuld auf der Anklagebank sitze.“, beschreibt Tibo R. seine Gefühle zu dem Prozess.

Tibo R. hatte an dem Abend des 24. September 2006 vor einer besetzten Telefonzelle gewartet, als ihn plötzlich die Frau in der Zelle anschrie und aufforderte wegzugehen. Die Unbekannte beschimpfte ihn dabei mehrfach als „Scheiß Neger“. Um eine Eskalation zu vermeiden, ging Tibo R. weg, bemerkte aber bald, dass ihm die Frau folgte. Kurz darauf verspürte der damals 36Jährige einen heftigen Schmerz im Rücken. Offenbar hatte seine Verfolgerin einen Stein nach dem Betroffenen geworfen. Ein zweiter auf ihn gezielter Steinwurf verfehlte den Betroffenen. Als die Frau einen weiteren Stein nehmen wollte, forderte Tibo R. sie auf aufzuhören und wehrte weitere Würfe ab.

Noch am gleichen Abend suchten zwei Polizeibeamte Tibo R. auf. Er berichtete den Beamten von dem rassistischen Angriff und der Notwehrsituation, übergab als Beweismittel die Steine und zeigte ihnen auch seine Verletzung am Rücken. Zwei Tage später, anlässlich einer Vernehmung des Betroffenen im Polizeirevier Bernburg wegen einer rassistischen Beleidigung im Juli 2006, stellte sich jedoch heraus, dass wegen des Angriff auf ihn bis dato keine Ermittlungen von Amts wegen eingeleitet waren.

„Tibo R. bleibt nichts anderes, als darauf zu vertrauen, dass vor Gericht die Wahrheit zu Tage kommt und er freigesprochen wird“, so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung.