Anlaufstelle Süd (Halle), 22.03.2008
Beginn: Mittwoch, den 26.03.2008, 9:30 Uhr, Amtsgericht Halle, Thüringer Str. 16, Saal 1.031
Gegen vier Fahrkartenkontrolleure beginnt am Mittwoch, den 26. März, 9:30 Uhr, am Amtsgericht Halle der Prozess wegen eines rassistischen Angriffs im September 2005 auf einen damals 30-jährigen Gambier in einer Straßenbahn in Halle. Die Staatsanwaltschaft wirft den zur Tatzeit 37-, 39-, 40- und 41Jährigen gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung und Bedrohung vor. Die Angeklagten waren damals bei der „Service-Gesellschaft Saale“ (SGS), einer Tochterfirma des Verkehrsunternehmens Havag, als Fahrkartenkontrolleure angestellt, zum Tatzeitpunkt aber nicht im Dienst. „Dass es erst mehr als zweieinhalb Jahre nach dem rassistischen Angriff zum Prozess kommt, können die Betroffenen nicht verstehen,“ kritisiert ein Sprecher der Mobilen Opferberatung.
Am 9. September 2005, kurz vor Mitternacht, wird der Gambier in einer Straßenbahn der Linie 1 zwischen den Haltestellen „Wasserturm“ und „Am Steintor“ von augenscheinlich alkoholisierten Männern aufgefordert, seinen Fahrschein zu zeigen. Als sich der 30Jährige weigert, beginnen drei der vier Unbekannten plötzlich, ihn körperlich zu attackieren.
Zwei gerade an der Haltestelle „Am Steintor“ vorbeilaufende junge Männer wurden auf den Angriff im hinteren Teil der Bahn aufmerksam und entschlossen sich spontan, dem Betroffenen beizustehen, ebenso wie ein 25Jähriger, der gerade mit dem Fahrrad an der Bahn vorbeifuhr. Die drei versuchten die Situation zu deeskalieren und die Angreifer verbal von weiteren Schlägen abzuhalten. Einer der drei Helfer, ein damals 22-jähriger Student, bat die Straßenbahnfahrerin, die Polizei zu informieren. Dann stellte er fest, dass einer der Angreifer weiter auf den Betroffenen einschlug, während die anderen untereinander diskutierten.
Als der 22Jährige laut sagte, die Polizei sei gleich da, drehte sich der Angreifer plötzlich um und schlug dem Studenten mit der Faust ins Gesicht. Dabei zersplitterte die Brille des Betroffenen und schleuderte zu Boden. Eine Scherbe drang in sein Auge ein, außerdem begann seine Nase zu bluten. Panisch suchte er nach seiner Brille. Als er diese gefunden hatte, verließen der Student und sein Bekannter die Bahn und liefen zurück in Richtung Steintor.
Dem Gambier war es in der Zwischenzeit gelungen, am Steintor auszusteigen. Allerdings folgten ihm die vier Kontrolleure . Als der Gambier zu seiner Verteidigung schützend eine Bierflasche vor seinem Körper hin und her bewegte, schrie einer der Angreifer „Du Niggersau, pack die Flasche weg, dann bring ich dich um!“ Der 30Jährige erlitt u.a. Prellungen und Schürfwunden.
Kurz nach dem Angriff erklärte Thomas Milewski, Geschäftsführer der SGS gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung, die vier Kontrolleure seien vom Dienst suspendiert worden. Mislewski behauptete weiter, die Männer seien noch nie ausländerfeindlich aufgefallen. Dabei war einer der Angeklagten, der heute 42-jährige Peter H., seit spätestens Anfang der 1990er Jahre aktives Mitglied der halleschen Neonaziszene, was u.a. in mehreren Fernsehreportagen dokumentiert wurde. So ist H. in einer Reportage des DFF („Eine Hallesche Nacht“) von 1991 mit auf den Hinterkopf einrasierten SS-Runen zu sehen, als er gerade mit Kameraden zu einem Neonaziaufmarsch nach Dresden unterwegs ist.
Bereits Anfang 2006 erhob die Staatsanwaltschaft Halle Anklage gegen die vier Männer. Doch erst mehr als eineinhalb Jahre später beraumte das Amtsgericht Halle einen Termin zur Hauptverhandlung für Mitte September 2007 an. Dieser wurde allerdings wegen Verhinderung mindestens eines Verteidigers abgesagt. Rechtsanwalt Stephan Martin, Nebenklägervertreter des damals 22-jährigen Helfers bemerkt zu der langen Verfahrensdauer: „Zum einen wird die Beweisaufnahme mit fortschreitender Zeit unnötig erschwert, zum anderen muss die lange Dauer zwischen Angriff und Verhandlung bei einem möglichen Urteil strafmildern berücksichtigt werden.“