Mobile Opferberatung Mitte (Magdeburg), 08.03.2016
217 politisch rechts motivierte Gewalttaten mit 316 direkt von den Angriffen Betroffenen hat die Mobile Opferberatung für das Jahr 2015 in Sachsen-Anhalt dokumentiert. Davon waren knapp zwei Drittel rassistisch motiviert. Damit hat sich die Zahl der bekannt gewordenen politisch rechts und rassistisch motivierten Angriffe im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. So hatte die Mobile Opferberatung bis Anfang März 2015 103 Angriffe für das Jahr 2014 registriert, die sich durch Nachmeldungen mittlerweile auf 120 erhöht haben. „Wir haben seit Beginn des unabhängigen Monitorings im Jahr 2003 noch nie so viele Fälle rechter und rassistischer Gewalt registriert wie im vergangenen Jahr“, so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung.
Ganz konkret bedeutet das für das Leben von gesellschaftlichen Minderheiten, dass in 2015 in Sachsen-Anhalt an jedem zweiten Tag des Jahres Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer (vermeintlichen) Herkunft, ihrer sexuellen Identität, ihrer politischen Orientierung oder ihres sozialen Status angegriffen wurden. Dazu gehören Brandanschläge auf von Migrant_innen bewohnte Häuser wie am 14. August 2015 in Merseburg, bei dem die Bewohner_innen sich wegen der starken Rauchgasentwicklung auf ein Vordach flüchten mussten, aber auch eine sich rasant ausbreitende rassistischer Gewalt und rechte Dominanz im Alltag: So werden Geflüchtete beispielsweise beim Einkaufen in Supermärkten, auf dem Weg mit der Straßenbahn nach Hause oder auf offener Straße angegriffen.
Betroffene von Politik im Stich gelassen
Massiv zugenommen haben auch die Angriffe auf Menschen, die sich für eine demokratische Gesellschaft und gegen rassistische Hetze engagieren, wie beispielsweise am 23. März 2015 in Magdeburg oder am 21. Oktober in Halle (Saale) im Zusammenhang mit Protesten gegen Magida- oder AfD-Aufmärsche. „Wir sind mit einer dramatischen Ausbreitung rechter und rassistischer Gewalt konfrontiert“, sagt eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Doch die politischen Reaktionen darauf sind bislang völlig unzureichend.“
„Aufgrund des hohen Fallaufkommens sind wir inzwischen bei weitem nicht mehr in der Lage, allen Betroffenen schnelle und adäquate Unterstützung anzubieten“, kritisiert die Sprecherin. Die Verdoppelung der Angriffs- und Fallzahlen müsse sich endlich auch in einer angemessenen Erhöhung der Fördermittel widerspiegeln. So habe sich bis jetzt an den Zuwendungen durch Land und Bund nahezu nichts geändert. „Statt Lippenbekenntnisse benötigen die Opfer rechter und rassistischer Gewalt und die Beratungsstellen endlich praktische Solidarität.“
Erschreckendes Wahrnehmungsdefizit der Strafverfolgungsbehörden
Obwohl es sich bei 189 der 217 Angriffe um auch von der Polizei als solche einzustufende Gewaltstraftaten handelt, von denen den Ermittlungsbehörden mindestens 157 bekannt sind, hat das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt bislang nur etwas mehr als die Hälfte (56 Prozent) auch als politisch rechts motiviert registriert. „Wir sehen ein erschreckendes Wahrnehmungsdefizit der Strafverfolgungsbehörden bei der Anerkennung von rechten Tatmotiven“, betont die Sprecherin der Mobilen Opferberatung.
Damit einher geht ein Mangel an Ermittlungserfolgen wie beispielsweise in Gräfenhainichen, wo bislang Unbekannte mehrere Anschläge auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft verübt haben und zuletzt im Februar 2016 sogar auf das von einem Sicherheitsdienst bewachte Gebäude geschossen wurde. „Wenn rechte und rassistische Gewalt von den Behörden nicht als solche erkannt und verfolgt wird, ist das eine Botschaft an die Täter weiter zu machen wie bisher“, erklärt die Sprecherin weiter.
Straftatbestände und Schwerpunktregionen
Bei mehr als 80 Prozent der dokumentierten Fälle handelt es sich um versuchte bzw. vollendete Körperverletzungsdelikte (179). Daneben wurden 10 Brandstiftungen sowie 21 Nötigungen bzw. Bedrohungen und sieben Sachbeschädigungen aufgrund der jeweils gravierenden Folgen für die Betroffenen in die Statistik aufgenommen.
Schwerpunkt bei politisch rechts motivierter Gewalt in Sachsen-Anhalt war in 2015 die Stadt Halle (Saale) mit 68 Angriffen (2014: 19), gefolgt von der Landeshauptstadt Magdeburg mit 42 Angriffen (2014: 11). Dahinter folgen die Landkreise Anhalt-Bitterfeld (20; 2014: 3), Börde (17; 2014: 4) sowie der Saalekreis mit 14 Gewalttaten (2014: 21).
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Statistik Mobile Opferberatung 2015