Anlaufstelle Mitte (Magdeburg), 18.12.2007

Am zehnten Prozesstag sagen zwei weitere Tatzeugen zum Angriff auf das Theaterensemble in Halberstadt aus – Alle vier Angeklagten kamen am vergangenen Prozesstag auf freien Fuß

Seit dem 09. Oktober 2007 wird am Amtsgericht Halberstadt, in den Räumen des Landgerichts Magdeburg, gegen die vier rechten Schläger verhandelt, denen vorgeworfen wird maßgeblich am brutalen Angriff auf ein 14-köpfiges Theaterensemble in Halberstadt am 09. Juni diesen Jahres beteiligt gewesen zu sein. Das Theaterensemble wurde nach der Premiere ihres in Thale aufgeführten Stückes „Rocky Horror Show“ in Halberstadt angegriffen. Dabei wurden fünf männliche Mitglieder des Ensembles durch Faustschläge und Fußtritte so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten.

Das zuständige Gericht hatte in der letzten Verhandlung am 05.12. 2007, auf Antrag der Verteidigung, die Haftbefehle gegen David O., Tobias L. und Stefan L. aufgehoben und die Untersuchungshaft von Christian W. außer Vollzug gesetzt. Der Tatverdacht hätte sich im Laufe der Hauptverhandlung nicht weiter erhärtet. „Die Aufhebung der Haftbefehle kann nicht als Wende im Prozess um den Angriff auf das Theaterensemble in Halberstadt verstanden werden“, so ein Sprecher der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt. „Es ist keine Überraschung, sondern die Konsequenz einer dünnen Beweislage, die u.a. auf Ermittlungspannen der Polizei am Tatort und den blinden Aktionismus der Staatsanwaltschaft zurückgeht.“ Die VertreterInnen der Nebenklage, die im Prozess die Betroffenen des brutalen und rechtsmotivierten Angriffs vertreten, haben daher der Aufhebung der Haftbefehle bei drei der Angeklagten zugestimmt. Sie widersprachen allerdings entschieden, auch Christian W. aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
„Wie das Gericht zu der Einschätzung kommt, dass im Falle von Christian W. kein dringender Tatverdacht mehr besteht ist äußerst zweifelhaft.“, so ein Sprecher der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt. „Christian W. wird eine Einlassung zu Gute gehalten, die nach dem bisherigen Prozessverlauf längst widerlegt ist.“ Im Verlauf des Prozesses erkannten mehrere Opfer und Zeugen den 22-jährigen als mutmaßlichen Haupttäter wieder. Sie schilderten, dass er den ersten Schlag gegen die Theatergruppe ausgeführt habe und erst im Anschluss die umstehenden Mittäter wie auf Kommando auf das Theaterensemble losgegangen sind. In seiner Einlassung behauptet Christian W. u.a. provoziert worden zu sein und macht Angaben, die sich im bisherigen Prozessverlauf nicht bestätigt haben.

Zu Beginn des zurückliegenden Prozesstages hatte die Gerichtsmedizinerin ausgesagt, die die Betroffenen und die vier Angeklagten nach dem brutalen Angriff untersuchte. Sie sprach bei den Betroffenen von teilweise verheerende Verletzungen, die auf eine erhebliche Gewalteinwirkung zurückzuführen sind und bei zwei der Betroffenen lebensgefährlich waren. Es sei durchaus möglich, dass mit Springerstiefeln auf einige der Betroffenen eingetreten wurde.

Bei den Angeklagten Christian W., David O. und Tobias L. habe sie Verletzungen festgestellt, die auf das Austeilen von Faustschlägen seitens der mutmaßlichen Täter hindeuten könnten. Befragt nach Auffälligkeiten bei der Untersuchung der mutmaßlichen Angreifer gab sie an, dass sie bei Christian W., David O. und Tobias L. rechtsextreme Tätowierungen festgestellt und protokolliert habe. Bei Christian W. habe sie u.a. zwei tätowierte Hakenkreuze festgestellt, beim mutmaßlichen Angreifer David O. u.a. die Tätowierungen „Blut und Ehre“ sowie ein Hakenkreuz. Beim Angeklagte Tobias L. habe ebenfalls ein tätowiertes Hakenkreuz festgestellt und im Untersuchungsprotokoll vermerkt.

„Die Staatsanwaltschaft ist in der Pflicht, Konsequenzen aus dem bisherigen Prozessverlauf zu ziehen“, so ein Sprecher der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt. „Die Staatsanwaltschaft muss Nachermittlungen anordnen und weitere namentlich bekannte Tatzeugen vorladen. Ohne weitere Ermittlungen droht ein Debakel für den Prozess und der Freispruch von einigen der mutmaßlichen Angreifer.“

Die nächsten Verhandlungstermine finden am 09., 16. und 17. Januar 2008 jeweils um 9.15 Uhr statt.