Anlaufstelle Süd (Halle), 19.12.2011
Längst fällige Anerkennung des rechten Tatmotivs wird Angehörigen von Todesopfern rechter Gewalt weiter verwehrt
Das Innenministerium Sachsen-Anhalts hat in der vergangenen Woche erklärt, die Zahl der Todesopfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt habe sich nach der Überprüfung von acht Tötungsdelikten aus den Jahren 1993 bis 2008 nicht verändert. Diese acht Fälle werden hingegen von der Mobilen Opferberatung sowie von ZEIT und Tagesspiegel als politisch rechts motivierte Tötungsdelikte gewertet.
Damit wird den Angehörigen der Todesopfer weiterhin die Anerkennung des Tatmotivs durch offizielle Stellen verweigert. Auch nach seit 2001 bundeseinheitlich geltenden Kriterien der Sicherheitsbehörden für politisch motivierte Kriminalität (PMK) handelt es sich zweifelsfrei um politisch rechts motivierte Tötungsverbrechen. Danach fallen darunter Straftaten, die u.a. „… gegen eine Person gerichtet sind, wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, … Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, sexuellen Orientierung oder gesellschaftlichen Status und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht.“
So entsteht der Eindruck, dass die versprochene Prüfung in erster Linie eine Nebelkerze war. „Für die Angehörigen und Betroffene rechter Gewalt sind derartige Lippenbekenntnisse eine ungeheure Belastung, wenn sie nicht auch tatsächlich zu einem veränderten politischen Umgang führen“, so die Sprecherin weiter. Bei den Opfern handelt es sich um Matthias Lüders (getötet am 24. April 1993 in Obhausen), Eberhart Tennstedt (5. April 1994 Quedlinburg), Hans-Werner Gärtner (8. Oktober 1999 Löbejün), Helmut Sackers (29. April 2000 Halberstadt), Willi Worg (25. März 2001), Andreas Oertel (21. März 2003 Naumburg), Martin Görges (30. Januar 2004 Burg) und Hans-Joachim Sbresny (1. August 2008 Dessau-Roßlau) (Details siehe www.zeit.de/themen/gesellschaft/todesopfer-rechter-gewalt/index).
Zum Hintergrund
Die sachsen-anhaltischen Behörden erkennen bislang lediglich vier von insgesamt zwölf dokumentierten, politisch rechts motivierten Tötungsverbrechen seit 1992 als solche an. Insgesamt gehen Opferberatungsprojekte deutschlandweit von mindestens 150 Todesopfern rechter Gewalt seit 1990 aus. Demgegenüber erkennen die Sicherheitsbehörden bisher lediglich 47 Todesopfer an. Nach Bekanntwerden der rassistischen Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ hatten einige Bundesländer, darunter Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen öffentlich eine Überprüfung der Tötungsdelikte angekündigt.
Das Innenministerium in Magdeburg hatte Ende vergangener Woche den Abschluss seiner Überprüfungen, bei der LKA, die Polizeidirektionen, der Verfassungsschutz und die Generalstaatsanwaltschaft einbezogen worden seien, bekannt gegeben.