Anlaufstelle Mitte (Magdeburg), 01.03.2007

Quedlinburg und die Landeshauptstadt Magdeburg führen die Statistik an

Die Zahl der bekannt gewordenen Angriffe mit rechter, rassistischer und antisemitischer Motivation in 2006 ist im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegen. Bereits nach Abgleich mit den Zahlen des Landeskriminalamts für die ersten drei Quartale 2006 hat die Mobile Opferberatung in Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten in Dessau insgesamt 178 Angriffe für das Jahr 2006 registriert. Für das Jahr 2005 hatte die Mobile Opferberatung insgesamt 171 Fälle dokumentiert.

Innenminister Holger Hövelmann führte in seiner heutigen Vorstellung der Entwicklung politisch motivierter Kriminalität in Magdeburg u.a. aus, dass „sich die Steigerungsrate im Vergleich zu den Vorjahren (…) deutlich abgeschwächt“ habe, was ihn für die Zukunft verhalten zuversichtlich stimme. Dazu bemerkt ein Sprecher der Mobilen Opferberatung: „Sowohl die Statistiken des Innenministeriums als auch die der Mobilen Opferberatung verzeichnen seit 2003 einen kontinuierlichen Anstieg rechter Angriffe in Sachsen-Anhalt. So haben sich rechte, rassistische und antisemitische Gewaltstraftaten seit dem Jahr 2003 deutlich mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung ist nur als dramatisch zu bezeichnen.“

So wurden mindestens 269 Menschen im vergangenen Jahr Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Angriffe in Sachsen-Anhalt. Nach wie vor gehören insbesondere nicht-rechte und alternative Jugendliche und junge Erwachsene sowie Flüchtlinge und MigrantInnen zu den Hauptbetroffenen. So richteten sich 51 Prozent aller registrierten Angriffe gegen Nichtrechte, 37 Prozent waren rassistisch motiviert.

Neben den seit Jahren bestehenden Schwerpunktregionen und -städten haben sich weitere Schwerpunkte herauskristallisiert. So hat sich die Situation unter anderem in Quedlinburg und Köthen dramatisch verschlechtert. In Quedlinburg wurden mit 23 Angriffen die meisten Taten verübt (im gesamten Landkreis 25). Dort attackierten Rechte aus dem Umfeld der „Freien Kameradschaften“ vor allem alternative, nicht-rechte Jugendliche. In Köthen, wo 14 Angriffe stattfanden (im gesamten Landkreis 16), wurden vermehrt ausländische Studierende Opfer von rechten Angriffen.

Die Landeshauptstadt Magdeburg steht bzgl. der dokumentierten rechten und rassistischen Gewalttaten an zweiter Stelle. Auffällig ist hier seit Jahren, dass Angriffe auf Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch alternative Jugendliche häufig in öffentlichen Verkehrsmitteln oder an Haltestellen verübt werden, im letzen Jahr in 11 von insgesamt 19 Fällen. Weitere Schwerpunkte rechter Gewalt waren im vergangenen Jahr das Jerichower Land und der Altmarkkreis Salzwedel mit 12, sowie die Stadt Halle mit 11 registrierten Angriffen.

„Gerade im Bereich politisch rechts motivierter Gewalt ist zudem von einer hohen Dunkelziffer auszugehen“, so ein Sprecher der Mobilen Operberatung. „Gewalt gegen alle, die nicht ins rechte Weltbild passen, ist in vielen Regionen Sachsen-Anhalts längst Alltag geworden. Sie geht mit einem zunehmenden Organisierungsgrad neonazistischer Gruppen und einem Anstieg des Selbstbewusstseins der extremen Rechten, aber auch des nur diffus politisierten Umfeldes einher.“