Anlaufstelle Süd (Halle), 21.02.2011
Anstieg bei rassistischen Gewalttaten um nahezu 50 Prozent – Rassistische Gewalttäter fühlen sich offenbar legitimiert durch politischen Diskurs
Für das Jahr 2010 hat die Mobile Opferberatung1 insgesamt 101 politisch rechts motivierte Gewalttaten in Sachsen-Anhalt registriert. Davon waren mindestens 176 Menschen direkt betroffen. In 85 Prozent der Fälle handelt es sich um Körperverletzungsdelikte (86). Demgegenüber gab das Innenministerium heute 80 politisch rechts motivierte Gewaltstraftaten für 2010 bekannt, davon 65 Körperverletzungsdelikte (81 Prozent). Die Diskrepanz zwischen den Zahlen erklärt sich u.a. dadurch, dass die Mobile Opferberatung auch Gewalttaten dokumentiert, die nicht zur Anzeige gebracht wurden sowie in Einzelfällen auch Bedrohungen/Nötigungen (9) und Sachbeschädigungen (1), wenn diese mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen verbunden waren.
Somit wird statistisch gesehen alle drei bis vier Tage eine politisch rechts motivierte Gewalttat im Bundesland verübt. Dabei ist zu beachten, dass in diesem Bereich von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Dementsprechend wird sich voraussichtlich die dokumentierte Angriffszahl wie in den vorangegangenen Jahren durch Nachmeldungen noch erhöhen. So hatte die Mobile Opferberatung Ende Februar 2010 für 2009 111 politisch rechts motivierte Angriffe bekannt gegeben. Mittlerweile ist diese Zahl auf 142 gestiegen.
Besorgniserregend ist insbesondere der massive Anstieg rassistisch motivierter Gewalttaten. So hat sich ihr Anteil an der Gesamtzahl von Angriffen im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt: Lag er 2009 bei 24 Prozent (34), so sind 2010 42 Prozent (42) aller Angriffe auf Rassismus zurückzuführen. Diese Entwicklung korrespondiert mit den Ergebnissen bundesweiter Studien, die übereinstimmend einen signifikanten Anstieg rassistischer Einstellungen für 2010 belegen.2
„Der Anstieg rassistischer Gewalttaten kann als Resultat der verschärften Debatte um Zuwanderung und Integration in 2010 verstanden werden“, sagt eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Durch die damit einhergehende Abwertung und Stigmatisierung von Flüchtlingen und Migrant_innen fühlen sich rechte und rassistische Angreifer offenbar zunehmend legitimiert.“
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1 in Kooperation mit der Beratungsstelle für Opfer rechter Straf- und Gewalttaten in Dessau und nach Abgleich mit den Fallzahlen des Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt für die ersten drei Quartale 2010
2 vgl. Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche Zustände: Folge 9; Decker u.a.: Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010