Anlaufstelle Süd (Halle), 10.03.2005
Im Prozess um die Tötung des 60-jährigen Helmut Sackers im April 2000 in Halberstadt durch einen rechtsextremen Skinhead sind beim Landgericht Halle für Montag, den 14. März 2005, die Plädoyers von Staatsanwaltschaft, Nebenklagevertretung und Verteidigung vorgesehen.
Am vergangenen Montag waren zu Beginn der Hauptverhandlung erneut die Ehefrau des Angeklagten und die Lebensgefährtin des getöteten Helmut Sackers, Heide Dannenberg gehört worden. Das Gericht stellte beiden Zeuginnen Fragen zu dem am Tatabend von Helmut Sackers mitgeführten Hund, der sich nach den Aussagen des Angeklagten und seiner Ehefrau aggressiv verhalten habe und während des Kampfes zwischen Andreas S. und dem 60-Jährigen auf Kommando auf die Ehefrau des Angeklagten losgegangen sei. Heide Dannenberg bezeugte, dass ihr Münsterländermischling keinerlei Schutzhundausbildung genossen habe und sich im Allgemeinen eher ängstlich verhalte. Ihre Aussagen wurden von dem am selben Tag geladenen Sachverständigen für Hundewesen in seinem Gutachten eindrücklich bestätigt.
Des weiteren erstattete ein Sachverständiger für Psychiatrie und Psychotherapie ein mündliches Gutachten zur Wirkungsweise des Präparats Insidon. Die Ehefrau des Angeklagten hatte vor dem Landgericht Halle ausgesagt, sie könne sich an die Vernehmungen bei Polizei und Amtsgericht wenige Tage nach der Tat nicht mehr erinnern und erkläre sich ihren Gedächtnisverlust mit der Einnahme von zwei Dragees dieses Medikaments kurz vor der polizeilichen Vernehmung im Mai 2000. Hier hatte die Zeugin noch behauptet, sie sei nicht anwesend gewesen, als ihr Verlobter Helmut Sackers mit vier Messerstichen tötete. In der ersten Verhandlung vor dem Landgericht Magdeburg hingegen hatte sie die Notwehr-Version des Angeklagten entscheidend gestützt und behauptet, sie habe die Auseinandersetzung beobachtet. Dem Gutachter waren Nebenwirkungen wie Bewusstseinsstörung bzw. ein Gedächtnisverlust durch die Einnahme des Präparates unbekannt.
Im Anschluss daran legte ein Sachverständiger des LKA Sachsen-Anhalt ausführlich dar, dass dessen Begutachtung der Lonsdale-Lederjacke des Angeklagten keine tatsächlichen Beweise für das von Andreas S. geschilderte Kampfgeschehen erbracht habe.
Helmut Sackers hatte eine Stunde vor seinem Tod am Abend des 29. April 2000 über Notruf die Polizei in Halberstadt verständigt: „Bei uns im Haus werden Nazilieder gespielt, Horst -Wessel-Lied, ganz laut.“ Die Polizeibeamten, die sich daraufhin zu der besagten Wohnung begaben, ermahnten den Wohnungsinhaber und jetzigen Angeklagten, während Helmut Sackers dem damals 29jährigen Skinhead Andreas S. für den Wiederholungsfall mit einer Anzeige drohte. Eine Stunde später war der 60Jährige Helmut Sackers tot, verblutet an vier Messerstichen im Treppenhaus des Plattenbaus, in dem er mit seiner Lebensgefährtin wohnte.
Der Verteidiger kündigte für den kommenden Verhandlungstag an, dass er ggf. noch einen Beweisantrag auf Verlesung des Urteils beim Landgericht Magdeburg vom März 2003 stellen werde. Dieses hatte Andreas S. im Berufungsverfahren von dem Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86 a StPO freigesprochen. Das Landgericht Magdeburg entschied damals in dubio pro reo und führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass der einzige, der das laute Abspielen des Horst-Wessel-Liedes am Abend des 29. April 2000 zweifelsfrei bezeugen könnte – Helmut Sackers – leider verstorben sei.