Anlaufstelle Süd (Halle), 11.09.2007

Am 12. September ist der vierte Prozesstag in der Hauptverhandlung gegen den 23jährigen Emanuel R., einen mehrfach wegen brutaler Gewaltdelikte vorbestraften Neonazi aus Wernigerode. Die Anklage wirft ihm sechs gefährliche Körperverletzungen in Wernigerode und Umgebung vor, die im Sommer 2005 verübt wurden. Die Angriffe verliefen immer nach dem gleichen Muster: Die Opfer – Jugendliche und junge Erwachsene, die durch ihr Outfit als Punks oder Nicht-Rechte erkennbar waren – wurden als „Assis“ und „Zecken“ beschimpft, mit gezielten Schlägen zu Boden gebracht und dann am Boden liegend mit Springerstiefeln solange gegen den Kopf und ins Gesicht getreten, bis sie sich nicht mehr bewegten. Alle Opfer trugen Kopfverletzungen davon, in drei Fällen mussten die Betroffenen als Notfälle mit dem Rettungswagen in Kliniken gebracht werden.

Das Amtsgericht Wernigerode hatte Emanuel R. Ende März 2006 wegen vierfacher, in zwei Fällen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung und einer einfachen Körperverletzung zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Gegen das Urteil legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft und zwei NebenklagevertreterInnen Berufung ein, über die im Oktober 2006 verhandelt wurde. Die Nebenklage hatte schon zur ersten Hauptverhandlung am Amtsgericht Wernigerode beantragt, das Verfahren angesichts der Vielzahl und Schwere der Gewalttaten an die Große Strafkammer des Landgerichts zu verweisen und argumentiert, dass der Strafrahmen von höchstens vier Jahren am Amtsgericht zu niedrig bemessen sei, was aber sowohl die Staatsanwaltschaft Halberstadt als auch das Amtsgericht Wernigerode ablehnten. In der Berufungsverhandlung folgte das Landgericht dem Antrag der Nebenklage, dem sich überraschenderweise nun auch die Staatsanwaltschaft anschloss und verwies das Verfahren an die große Strafkammer als erstinstanzliches Gericht. Emanuel R. sei aller angeklagten Straftaten, also auch derjenigen, bei der durch das Amtsgericht Freispruch erfolgte, verdächtig und deshalb reicht der zur Verfügung stehende Strafrahmen von vier Jahren, den die Kammer maximal verhängen darf, nicht aus. Die daraufhin von der Verteidigung eingelegte Revision wurde im März 2007 vom Oberlandesgericht Naumburg als unbegründet abgewiesen.

Am ersten Verhandlungstag vor dem Landgericht lies Emanuel R. durch seinen Verteidiger eine Erklärung verlesen, in der er alle sechs angeklagten Taten vollumfänglich eingestand, seine rechte Tatmotivation bestritt er allerdings. Zwar sei er damals in der rechten Szene verkehrt aber die Angriffe wären nicht politisch motiviert gewesen, vielmehr sei er mit seinen Opfern in Streit geraten u wäre dann im Alkoholrausch „ausgetickt“. Seine Zugehörigkeit zur im Oktober 2005 aufgelösten Wernigeröder Aktionsfront (WAF) bestritt er ebenfalls. Die Mobile Opferberatung zweifelt an dieser Darstellung. Seine Opfer waren vom Äußeren her immer als Punks oder Nichtrechte zu erkennen. Außerdem gab ein Zeuge am letzten Verhandlungstag an, dass er im Vorfeld des Angriffs am 4. September ein Telefongespräch mitgehört hätte, in dem sich R. und seine Kameraden dazu verabredeten „Linke aufzumischen“. Auch wurde Emanuel R. immer wieder auf rechten Demonstrationen gesehen, wo er u.a. gemeinsam mit Michael Schäfer, dem heutigen Bundesvorstandsmitglieds der JN, welcher auch im letzten Jahr der Verhandlung im Amtsgericht Wernigerode als Prozessbeobachter beiwohnte, hinter einem Transparent der WAF marschierte.

Auf Antrag der Verteidigung von Emanuel R. wurde ein psychologisches Gutachten erstellt, welches am Mittwoch gehalten wird. Die Strategie dahinter dürfte sein, zu versuchen, R. eine verminderte Schuldunfähigkeit aufgrund seines Alkoholkonsums zu attestieren.

Am vierten und wahrscheinlich letzten Verhandlungstag ist mit den Plädoyers der Verfahrensbeteiligten, sowie dem Urteil zu rechnen.

„Aus Sicht der Betroffenen und vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um strafverschärfende Maßnahmen bei politisch motivierten Straftaten wäre eine Nichtanerkennung des rechten Hintergrunds und somit eine erneute Verharmlosung der Taten zu unpolitischen jugendtypischen Schlägereien im Alkoholrausch ein fatales Zeichen“, so ein Sprecher der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt.