Anlaufstelle Süd (Halle), 19.11.2007
Dritter Verhandlungstag: Donnerstag, den 22.11.2007, 9:00 Uhr, Amtsgericht Haldensleben, Saal 14
Den 20 und 22 Jahre alten jungen Männern wird u.a. gefährliche Körperverletzung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen. Sie sollen am Angriff auf vier Punks am „Herrentag“ letzten Jahres auf dem Haldenslebener Bahnhof beteiligt gewesen sein.
Am 25. Mai 2006 warten gegen 22.15 Uhr vier jungen Punks auf einer Treppe am Bahnhof auf ihren Zug, als plötzlich fünf Jugendliche auftauchen und beginnen, Knallkörper nach ihnen zu werfen. Dabei rufen sie u.a. „Rote Zecken, haut ab hier, verpisst euch, wir wollen euch hier nicht!“. Einem 18-jährigen Punk wird eine Bierflasche gegen den Hinterkopf geworfen. Im weiteren Verlauf versuchen die Angreifer eine 20-Jährige auf die Gleise zu schubsen. Währenddessen holt einer der Rechten Verstärkung, woraufhin etwa ein halbes Dutzend weiterer Jugendlicher um die Ecke des Bahnhofsgebäudes gelaufen kommen und die zwei männlichen Punks angreifen. Einer der Angreifer zieht plötzlich einen Schreckschussrevolver und zielt damit auf den Kopf des 18-Jährigen mit der Drohung: „Wenn ihr noch ein Wort sagt, dann knall` ich euch alle ab!“ Als der 17-jährige Punk den Bedrohten zur Seite schubst, um ihn aus der Schusslinie zu bringen, löst sich im daraus entstehenden Gerangel ein Schuss aus der Waffe und der Punk sackt mit einer stark blutenden Knieverletzung zusammen.
Die Betroffenen versuchen schließlich, sich in den mittlerweile eingefahrenen Zug in Sicherheit zu bringen und bitten das Zugpersonal die Türen zu verriegeln. Der Lokführer lehnt aber mit dem Hinweis ab, dass ja möglicherweise noch andere Fahrgäste einsteigen wollen. Währenddessen dringen mehrere Angreifer immer wieder in den Zug ein und versetzen den Betroffenen noch mehrere Schläge und Tritte, rufen dabei mehrmals „Sieg Heil“ und zeigen den Hitlergruß. Als schließlich Polizei vor Ort eintrifft, flüchten die Angreifer unerkannt.
In der bisherigen Verhandlung räumten beide Angeklagten die Tatvorwürfe teilweise ein. Bezüglich des konkreten Tathergangs aber gaben sie vor, erhebliche Erinnerungslücken zu haben. Der heute 22-Jährige hätte zwar eine Waffe bei sich gehabt, damit aber nicht geschossen. Zwei Zeugen, offensichtlich Freunde des angeklagten 22-Jährigen, die beim Angriff am Bahnhof mit dabei waren, gaben dagegen vor Gericht an, dass es sehr wohl einen Schuss gegeben hätte. Auch eine der betroffenen Punkerinnen hatte das in ihrer Zeugenaussage bestätigt. Des Weiteren bestätigten die beiden Zeugen, dass der angeklagte 20-Jjährige regelrecht ausgetickt sei und mehrmals „Sieg Heil“ gerufen habe.
„Dass der Prozess überhaupt noch eröffnet wurde, ist einzig und allein dem Engagement der VertreterInnen der Nebenklage zu verdanken. Obwohl es ausreichend Hinweise für die Tatbeteiligung der beiden Angeklagten gab, wurden die polizeilichen Ermittlungen bereits im November 2006 eingestellt. Einmal mehr wurden Betroffene rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt von den Ermittlungsbehörden im Stich gelassen“, so ein Sprecher der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt.