Anlaufstelle Mitte (Magdeburg), 31.05.2005
Wie erst jetzt bekannt wurde, erlitt ein 33jähriger Punk bei einem Angriff durch mindestens fünf Neonazis in Oschersleben am Abend des 13. Mai 2005 so schwere Verletzungen, dass er stationär in einem Magdeburger Krankenhaus aufgenommen werden musste. Der Betroffene war am späten Abend gegen 23 Uhr mit einem Fahrrad vom soziokulturellen Zentrum „Alge e.V.“ aufgebrochen und auf dem Nachhauseweg durch den Oscherslebener Knochenpark gefahren. Hier wurde er völlig überraschend von mehreren Rechten brutal überfallen. Auch als der Betroffene schon bewusstlos am Boden lag, ließen die Täter nicht von ihrem Opfer ab.
Als der Betroffene wieder zu sich kam, fand er sich in einer Blutlache wieder und die Angreifer waren geflohen. In Panik und schwer verletzt gelang es dem Opfer am Boden kriechend sich in das soziokulturelle Zentrum „Alge“ zu retten – auf dem kurzen Weg dorthin verlor der 33Jährige erneut das Bewusstsein. Als er schließlich im soziokulturellen Zentrum ankam, wurde sofort die Notfallambulanz verständigt. Die Polizei traf nur wenige Minuten nach dem Notruf vor Ort ein. Da die schweren Kopfverletzungen im Kreiskrankenhaus nicht behandelt werden konnten, wurde der Betroffene noch in der Nacht in ein Magdeburger Krankenhaus eingeliefert und dort fünf Tage stationär behandelt.
Von Seiten der Polizeidirektion Halberstadt findet sich zu dieser schweren Gewalttat mit rechtsextremem Hintergrund lediglich eine verharmlosende Mitteilung fünf Tage nach dem Angriff im „Polizeibericht“ des Bördekreis-Lokalteils der „Volksstimme“: „Der … Fall ereignete sich am 13. Mai gegen 23 Uhr im Oscherslebener Knochenpark. (…) Ein Mann spaziert in der Triftstraße. Er ist auf dem Weg nach Hause. Plötzlich schleicht ein Unbekannter heran. Dann prügelt dieser wenige Sekunden mit der Faust auf das Opfer ein. Bei der Prügelattacke wird der Spaziergänger so schwer verletzt, dass er ins Kreiskrankenhaus geliefert werden muss.“ (Volksstimme, Lokalteil Bördelandkreis, 18. Mai 2005).
Angesichts der Skrupellosigkeit und Brutalität der Rechten stellt die Darstellung des Angriffs durch die Polizei für den Betroffenen eine unzumutbare Verharmlosung der politischen Hintergründe und Tatumstände dar. Im Gespräch verweist der 33Jährige zudem darauf, „dass es nur ein Zufall ist, dass ich aus der Bewusstlosigkeit wieder aufgewacht bin.“
Die Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt kritisiert das Meldeverhalten der Polizeidirektion Halberstadt: „Organisierte Neonazis und ihr Umfeld gehen in Halberstadt und den kleineren Kommunen der Umgebung mit äußerster Brutalität gegen linke und alternative Jugendliche und junge Erwachsene sowie Flüchtlinge und MigrantInnen vor. Wenn diese Angriffe schon nicht wirksam verhindert und aufgeklärt werden können, müssen die Sicherheitsbehörden zumindest die Öffentlichkeit darüber informieren“, so Heike Kleffner.
„Auch der brutale Angriff eines stadtbekannten Neonazis auf eine Gruppe alternativer und nicht-rechter Jugendlicher in Halberstadt in der Nacht vom 29. Mai 2005 hätte möglicherweise verhindert werden können,“ kritisiert die Mobile Opferberatung. Der mutmaßliche Täter ist in den letzten drei Jahren wiederholt durch rechtsextrem motivierte Gewalttaten aufgefallen. So hatte Steven R. nach Angaben der Polizeidirektion Halberstadt im Jahr 2002 einen Asylsuchenden aus Indien und im März 2004 einen Asylsuchenden aus Eritrea in Halberstadt angegriffen.
In der Nacht vom 29. Mai 2005 bedrohte der mutmaßliche Täter Steven R. eine Gruppe von alternativen Jugendlichen am Halberstädter See. Die Jugendlichen hatten sich geweigert, der rechtsextremen Propaganda von Steven R. zuzuhören. Steven R. schlug daraufhin zunächst mit einer Holzlatte einen 17Jährigen und trat dann auf sein am Boden liegendes Opfer ein. Der Betroffene erlitt u.a. eine Platzwunde am Kopf. Ein 14Jähriger, der daraufhin intervenieren wollte, wurde von Steven R. zunächst mit Faustschlägen im Gesicht traktiert. Dann schlug Steven R. mit der Holzlatte auch auf den 14Jährigen ein und hielt ihm eine Pistole an die Stirn.
Zuletzt hatte Steven R. gemeinsam mit einem weiteren Rechten am 29. März 2004 einen Asylsuchenden aus Eritrea getreten und geschlagen. Er bedrohte den Betroffenen mit einer Gaspistole, aus der sich ein Schuss löste. Mehr als ein Jahr nach dem Angriff hat die Staatsanwaltschaft Halberstadt noch keine Anklage gegen Steven R. in dem Fall erhoben.