Anlaufstelle Nord (Salzwedel), 08.03.2010

09.03.2010, 9:00 Uhr, Amtsgericht Burg, Saal 14 / Mobile Opferberatung kritisiert Umkehr der Beweislast aufgrund von Polizeifehlern

Vor dem Amtsgericht Burg beginnt am Dienstag, den 9. März 2010 um 9 Uhr der Prozess gegen einen Neonazi aus Burg. Knapp zwei Jahre nach einem rassistischen Angriff auf zwei Männer aus Guinea und Saudi-Arabien vor der Diskothek Night Fly in Burg, wirft die Anklage nun einem der mutmaßlichen Täter gefährliche Körperverletzung vor.

Zum Angriff:

In der Nacht vom 24./25. Mai 2008 wurden zwei Flüchtlinge aus Guinea und Saudi-Arabien Opfer eines schweren rassistischen Angriffs in Burg bei Magdeburg. Beide Betroffenen wurden aus einer 10 bis 15-köpfigen Gruppe unter rassistischen Beleidigungen wie „Scheiß-Neger“ vor der Diskothek Night Fly tätlich angegriffen. Einer der Betroffenen erlitt u.a. eine Verletzung am Auge, der andere einen Kreuzbandriss im Knie, der operiert werden musste. Einem der Betroffenen gelang es, mit einem Handy den Notruf der Polizei zu verständigen. Als zwei Beamte mit einem Streifenwagen am Tatort eintrafen – die örtliche Polizeiwache ist ca. 100 Meter vom Tatort entfernt – waren die Angreifer noch vor Ort und riefen weiter rassistische Parolen. Doch die Beamten reagierten darauf nicht. Anstatt die Personalien der Angreifer aufzunehmen, brachten sie lediglich die Betroffenen ins Krankenhaus und weigerten sich anschließend zunächst sogar, eine Anzeige aufzunehmen.

Schwierige Ermittlungen

Aufgrund des polizeilichen Fehlverhaltens am Tatort und in den Wochen nach der Tat gestalteten sich die Ermittlungen bezüglich der Tätergruppe extrem schwierig. Es dauerte bis zum Juli 2009, bis die Staatsanwaltschaft Stendal Anklage wegen Körperverletzung gegen den Angeklagten Benny N. erhob. Im Oktober 2009 lehnte das Amtsgericht Burg die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung jedoch ab. Erst eine Beschwerde der Nebenklagevertreterinnen der beiden Betroffenen beim Landgericht Stendal führte dazu, dass nunmehr die Hauptverhandlung eröffnet wird – vor demselben Richter, der die Zulassung der Anklage abgelehnt hatte.

Konsequenzen für die Betroffenen

Für die beiden Betroffenen hatte der Angriff und das polizeiliche Fehlverhalten erhebliche Konsequenzen: Bei dem Betroffenen aus Guinea wurde nach dem Angriff eine posttraumatische Belastungsstörung attestiert. Zudem musste er permanent damit rechnen, den Angreifern in Burg erneut zu begegnen. Hinzu kam im Mai 2009 eine Abschiebeandrohung durch die Ausländerbehörde Jerichower Land. Erst nach einer breit angelegten Öffentlichkeitskampagne und einer nachfolgenden Intervention von Innenminister Holger Hövelmann (SPD) wurde die Abschiebung für die Dauer des Strafverfahrens ausgesetzt und der Betroffene nach Magdeburg umverteilt. Der Betroffene aus Saudi-Arabien ist mittlerweile aus Sachsen-Anhalt weggezogen.

„Aufgrund des polizeilichen Fehlverhaltens nach dem Angriff ist nun lediglich ein mutmaßlicher Angreifer angeklagt“, kritisiert eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Wie schon mehrfach bei politisch rechts und rassistisch motivierten Angriffen in Burg und Umgebung wird den Betroffenen die Beweislast auferlegt und der rechtsextremen Szene signalisiert, dass sie weiter unbehelligt zuschlagen kann.“ So registrierte die Mobile Opferberatung im Jahr 2009 mindestens aller sechs Wochen eine politisch rechts oder rassistisch motivierte Gewalttat im Landkreis Jerichower Land.

Derzeit sind folgende Hauptverhandlungstermine bekannt: 9.3., 10.3., 15.3. und 17.3.2010 jeweils ab 9 Uhr.