Anlaufstelle Süd (Halle), 03.04.2008

Der Prozess gegen zwei Männer und eine Frau, die sich seit dem 26. März 2008 vor dem Amtsgericht Halberstadt wegen eines brutalen Angriffs auf eine damals 19Jährige am 21. Dezember 2007 in Halberstadt verantworten müssen stand heute, am zweiten Verhandlungstag, kurz vor dem Aus. Grund: Ein Video, das Polizeibeamte nach der Festnahme von den Beschuldigten aufgenommen hatten, war den Verfahrensbeteiligten nicht übermittelt wurden und damit auch nicht Teil der Beweismittel.

Die Verfahrensbeteiligtem hörten in der heutigen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Halberstadt während einer Zeugenvernehmung eines Polizeikommissars zum ersten Mal von dem Video. Darauf soll u. a. die blutverschmierte Kleidung der 22jährigen Angeklagten zu sehen sein. Zudem könnten aus der Dokumentation wichtige Rückschlüsse auf den Alkoholisierungsgrad der Beschuldigten gezogen werden. Der Beamte, der als erster am Tatort eintraf, beschrieb weiterhin, dass die Beschuldigten auf ihn einen besonders „gleichgültigen, kalten und gefühllosen“ Eindruck gemacht hatten. Angesichts des „grauenvollen Bildes“ von der Betroffenen am Tatort konnte er dies kaum fassen. Das Video könnte vor diesem Hintergrund wesentlich für die Höhe des bei einer Verurteilung zu erwartenden Strafmaßes sein. Und genau darum, so betonte der Vorsitzende Richter Selig „sitze er hier“. Er zeigte sich sichtlich empört über so viel Schlampigkeit von Seiten der Polizei. Doch anscheinend seien auch seine „eigenen Schulungen bei der Polizei nicht auf fruchtbaren Boden gefallen“, so der Vorsitzende und sprach noch zwei weitere Pannen in diesem Verfahren an. So hatten Polizeibeamte ohne Wissen der Staatsanwaltschaft Halberstadt Nachvernehmungen einer Zeugin durchgeführt. Außerdem tauchte ein Band der Ermittlungsakte erst kurz vor Prozessbeginn auf.

Die Verteidigung beantragte die Hauptverhandlung auszusetzen, damit alle Beteiligten das Video in Augenschein nehmen können. Aufgrund von terminlichen Schwierigkeiten sah es dann so aus, als ob der Prozess platzen und von vorn begonnen werden müsste. Nach einer langen Beratung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft, Nebenklagevertreterin und Verteidiger unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurde bekanntgegeben, dass der Prozess fortgesetzt und in der nächsten Hauptverhandlung das Video in Augenschein genommen wird. Die Anträge der Verteidigung, die Haftbefehle ihrer Mandanten wegen Verzögerung des Prozesses auszusetzen lehnte das Gericht ab.

Wer konkret dafür verantwortlich ist, dass ein wichtiges Beweismittel nicht der Staatsanwaltschaft bekannt gemacht wurde und irgendwo im Polizeiapparat hängen blieb, konnte in der Verhandlung nicht geklärt werden. Staatsanwalt Seehorsch erklärte im Anschluss des Prozesses auf Nachfrage der Mobilen Opferberatung, dass er sich um eine vollständige Aufklärung der Vorkommnisse bemühen wird. „Die Betroffene ist wütend über die Verfehlungen der Polizei, aber auch froh, dass ihr trotz allem ein erneuter Prozess erspart bleibt“, so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. Und weiter: „Die Mobile Opferberatung kritisiert, dass wieder einmal bei der Verfolgung einer rechten Gewalttat Polizeibeamte schlampig und verantwortungslos gehandelt haben.“

Der Prozess wird fortgesetzt am: 16. Mai und 25. Mai jeweils ab 8:00 Uhr und am 28. Mai ab 13:00 Uhr am Amtsgericht Halberstadt, R.-Wagner-Str. 52 in Halberstadt.