Anlaufstelle Süd (Halle), 24.08.2007
Am Dienstag, den 28. August 2007, beginnt vor dem Amtsgericht Weißenfels, ab 10:00 Uhr, der Prozess gegen einen 24-jährigen Mann wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, am späten Abend des 27. Mai 2006 gemeinsam mit zwei unbekannt gebliebenen Mittätern drei damals 17- bis 19-jährige junge Männer aus einer rechten Motivation heraus gezielt angegriffen und einen von ihnen dabei verletzt zu haben. Zur Verhandlung sind neun Zeugen geladen.
Als gegen 22:45 Uhr drei alternative Jugendliche eine Freundin zu ihren Zug am Weißenfelser Bahnhof bringen wollen und gerade die Treppen zu den Gleisen hochgehen, tauchen hinter ihnen plötzlich vier augenscheinlich der rechten Szene zugehörigen Männer auf. Ein damals 18-jähriger Punk wird derartig am Rucksack gezogen, dass er sich überschlagend mehrere Stufen bis zum nächsten Absatz hinunterfällt. Dabei geht eine Bierflasche zu Bruch und fügt ihm mehrere Schnittwunden zu.
Außerdem erlitt der Betroffene einen Mittelhandbruch, eine Schwellung im Gesicht, Schürfwunden und eine Verletzung am Mund. Sein damals 19-jähriger Begleiter wird mit dem Ruf „Schnapp dir den Nächsten!“ ebenfalls versucht die Treppe hinunter zu stoßen, kann sich aber am Geländer festklammern und bleibt unverletzt. Zur gleichen Zeit kommt einer der Angreifer auf den damals 17-jährigen Jugendlichen zu, welcher schon oben auf dem Bahnsteig angelangt war, fragt ihn ob er zur Antifa gehört und als dieser das bejaht, schubst er ihn auf die Gleise. Glücklicherweise verletzt sich der Jugendliche nicht und kann über die Gleise fliehen.
Zwischenzeitlich hat sich die Gruppe der Rechten auf 8 bis 10 Mann vergrößert und an verschiedenen Punkten auf der Bahnhofstreppe um die zwei Betroffenen herum postiert. Sie trugen schwarze Bomberjacken und waren bis auf Einen kahlgeschoren. Die beiden Jugendlichen mussten sich u. a. anhören, dass sie als Linke keine „Vaterlandstreue“ besitzen und wurden aufgrund ihres Äußeren beschimpft. Eine Bekannte der Rechten versuchte die Situation zu beruhigen, wodurch die Betroffenen Gelegenheit hatten, zu entkommen. Am darauf folgenden Tag wurde einer der Angreifer, der jetzige Angeklagte, beim Einkaufen von einem der Betroffenen wieder erkannt und der Polizei gemeldet. Drei weitere Verdächtige konnten ermittelt werden, die Verfahren wurden jedoch wegen nicht hinreichenden Tatverdachts eingestellt.
Weißenfels ist immer wieder Schauplatz rechter Gewalt, allein im ersten Halbjahr 2007 zählte die Mobile Opferberatung drei Angriffe auf alternative Jugendliche bzw. auf das alternative Kulturprojekt „Trofa“, wo sich auch das Bündnis gegen Rechts wöchentlich trifft. Am 9. August diesen Jahres haben Unbekannte den Ehrenfriedhof für sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter auf dem Weißenfelser Klemmberg geschändet und mehr als 150 Grabsteine umgestoßen. „Um den Tätern Grenzen zu setzen braucht es die öffentliche Solidarisierung mit den Betroffenen rechter Gewalt sowie die Unterstützung alternativer Jugendkultur und Initiativen gegen Rechtsextremismus“, so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung.