15.05.2006

Mehr als sechzehn Monate nach einem rassistischen Angriff auf einen 22jährigen Flüchtling aus Burkina Faso in Magdeburg beginnt am Dienstag, dem 16. Mai 2006, 9.00 Uhr, der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter vor dem Jugendschöffengericht beim Amtsgericht Magdeburg. Die Staatsanwaltschaft wirft dem zur Tatzeit 19Jährigen u.a. Beleidigung und gefährliche Körperverletzung vor:

Am 8. Januar 2005, gegen 2.30 Uhr, steigt der 22-jährige Flüchtling an der Haltestelle Damaschkeplatz in einen Bus Richtung Innenstadt. Am Hauptbahnhof steigen zwei Jugendliche zu und setzen sich direkt hinter den Flüchtling. Ein Afrikaner steigt ebenfalls ein und setzt sich neben den 22Jährigen. Sie beginnen eine Unterhaltung. Plötzlich beschimpfen die unbekannten Jugendlichen beide mit „Nigger“ und streichen ihnen über ihre Köpfe.

Die rassistischen Provokationen ignorierend beschließen die Betroffenen aufzustehen und sich nach vorne zum Busfahrer zu begeben. Auf einmal hört der 22-Jährige Schritte hinter sich. Als er sich umdreht, holt einer der Jugendlichen, sich an der Haltestange festhaltend, Schwung und tritt dem Betroffenen wuchtig mit einem seiner Springerstiefel ins Gesicht. Dann lässt der Angreifer von seinem Opfer ab und begibt sich in den hinteren Teil des Busses. Während der gesamten Zeit hatte keiner der anwesenden weiteren Fahrgäste interveniert, sodass der im Bereich seiner rechten Schläfe blutende Betroffene selbst den Busfahrer bittet, die Polizei zu rufen. Dieser blockiert die hintere Tür des Busses und verhindert so vorerst ein Aussteigen des Täters und seines Begleiters.

Nachdem der Bus einige Minuten an der Haltestelle Hasselbachplatz vergeblich auf das Eintreffen der Polizei gewartet hatte, gelingt es dem Angreifer und seinem Begleiter auszusteigen. Während der Betroffene über Handy erneut die Polizei verständigt, flüchten beide Rechten. Der 22Jährige, der ein Entkommen der beiden verhindern will, folgt ihnen einige Meter, bleibt aber schließlich aus Angst stehen. Plötzlich kehren die Rechten jedoch um. Der Angreifer kommt erneut direkt auf den Betroffenen zu. Ein unbekannter Mann geht schließlich dazwischen und kann die begonnene körperliche Auseinandersetzung beenden. Daraufhin flüchten die Rechten abermals.

Die wenig später eintreffende Polizei informiert einen Notarztwagen, der den Betroffenen zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus bringt. Die erlittene Kopfplatzwunde muss getackert werden. Die Polizei kann die beiden Rechten schließlich in der Bahnhofsstraße vorläufig festnehmen.

„In Magdeburg werden seit Jahren mit erschreckender Kontinuität insbesondere Schwarzafrikaner in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in und um Bahnhöfe und Haltestellen rassistisch beschimpft und angegriffen. Dies geschieht zumeist unter den Augen anderer Fahrgäste oder PassantInnen, die wegsehen und nicht eingreifen“, so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Rassistische, minderheitenfeindliche Diskurse und das Ausbleiben einer wahrnehmbaren Solidarisierung mit den Opfern rassistischer Gewalt bestärken potenzielle TäterInnen“.