Anlaufstelle Süd (Halle), 10.10.2007

Am Donnerstag, den 11. Oktober 2007 um 9:15 Uhr – Amtsgericht Halberstadt in den Räumen des Landgerichts Magdeburg

Den einschlägig vorbestraften Männern im Alter von 22 bis 29 Jahren, die sich zur Tatzeit alle in einer laufenden Bewährung befanden, wird gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Zur Prozesseröffnung am Dienstag verkündete Amtsrichter Selig in seinem Eröffnungsbeschluss, dass er entgegen der Anklage anhand der Aktenlage keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen gemeinsamen Tatplan bzw. arbeitsteiliges Vorgehen sehe. „Aus Sicht der Nebenklage ist diese Einschätzung des Richters nicht nach zu vollziehen, da die Betroffenen aus einer Gruppe gemeinsamhandelnder rechter Schläger angegriffen wurde und nicht von verschiedenen Einzelpersonen. Die Gruppe der Angreifer hatte gemeinsam an der Treppe zum ehemaligen Klubhaus gestanden und ist dann plötzlich wie auf Kommando auf das Theaterensemble los gegangen“, so ein Sprecher der Mobilen Opferberatung.

Einer der Angeklagten ließ dann über seinen Anwalt eine Einlassung verlesen, in der er zugibt, am Angriff beteiligt gewesen zu sein und auch zugeschlagen und -getreten zu haben. Allerdings spielt er den Überfall zu einer „Auseinandersetzung“ herunter und bestreitet auch jede rechte Tatmotivation. Zwar sei er der rechten Szene zugehörig gewesen, hätte aber nur auf Grund einer Provokation von Seiten der Betroffenen und im Alkoholrausch zugeschlagen. Seine Mitangeklagten wären auf jeden Fall auch anwesend gewesen. „Die Betroffenen können diese Art von Geständnis nicht akzeptieren, da es weder der Wahrheit entspricht, noch die Ausmaße des Überfalls und die dahinter stehende Tatmotivation beinhaltet.“

Am Donnerstag werden drei der beim Angriff zum Teil schwer verletzten Nebenkläger als Zeugen gehört werden.

Ein Teil der Theatergruppe will in den frühen Morgenstunden des 09. Juni die Premiere ihres in Thale aufgeführten Stückes „Rocky Horror Show“ feiern. Als sie in die Gaststätte „Zum Spucknapf“ wollen, wird eine Person des Ensembles aufgrund seines roten Irokesenschnittes vom Türsteher mit den Worten „Keine Linken, keine Rechten, keine Punks!“ am Betreten gehindert. Die Gruppe merkt aber schnell, dass das keineswegs der Philosophie der Lokalität entspricht, da sie im und vor der Gaststätte mehrere augenscheinlich Rechte bemerken. Als sich die gesamte Gruppe daraufhin entschließt, gemeinsam eine andere Lokalität auf zu suchen, wird sie wenige Meter von der Gaststätte entfernt aus einer Gruppe von ca. acht Rechten angegriffen. Dabei werden fünf männliche Mitglieder des Theaterensembles durch Faustschläge und Fußtritte schwer verletzt, so dass sie ambulant bzw. stationär im Krankenhaus behandelt werden müssen.

Als gerufene Polizei eintrifft, nimmt diese zunächst die Personalien aller Betroffenen akribisch auf, ohne sich um die offensichtlich Verletzten zu kümmern. Die Täter, die teilweise noch vor Ort sind, werden von den Beamten trotz mehrfacher Aufforderung der Betroffenen viel zu spät verfolgt und können dadurch fliehen. Der mutmaßliche Haupttäter fährt kurz darauf mit dem Fahrrad am Tatort vorbei und wieder reagiert die Polizei erst nachdem sie durch die Betroffenen mehrfach aufgefordert wird. Diese nimmt die Personalien des 22-jährigen, einschlägig vorbestraften und sich in einer laufenden Bewährung befindenden Mannes auf und lässt ihn wieder laufen.

Die ZeugInnen, welche allein am Tatort zurück gelassen werden, entdecken auf dem Heimweg an einem Imbiss die zuvor geflüchteten Angreifer und rufen abermals die Polizei. Als die Beamten eintreffen sind die mutmaßlichen Täter jedoch schon wieder weg. Auf die Bitte der ZeugInnen mit im Polizeiauto fahren zu können um nach den Tätern Ausschau zu halten, reagieren die Beamten nicht und lassen sie erneut allein auf der Straße stehen. Während des Angriffs standen in etwa 100 m Entfernung zwei Taxen und mehrere Personen vor der Gaststätte „Zum Spucknapf“ und beobachteten alles, griffen aber nicht ein.

„Der Angriff auf das Theaterensemble ist leider einer von vielen rechten Gewaltakten in Sachsen – Anhalt und auch in Halberstadt nichts neues“, so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Im gesamten letzten Jahr registrierte unsere Beratungsstelle sechs politisch rechtsmotivierte Angriffe in Halberstadt, in den ersten drei Quartalen diesen Jahres sind es schon elf. Also kann von einem Rückgang der rechten Gewaltstraftaten, wie Innenminister Hövelmann auf einer Kabinettsitzung am 11. September 2007 verkündete, zumindest in Halberstadt nicht die Rede sein.“

Die nächsten Verhandlungstermine sind am 18. Oktober, 1., 8., 20. und 28. November jeweils 9:15 Uhr angesetzt.