Anlaufstelle Süd (Halle), 04.02.2011

Die betroffenen Flüchtlinge leiden bis heute an den psychischen Folgen des Angriffs – Mobile Opferberatung erneuert Forderung nach freier Wohnortwahl

Am kommenden Dienstag, den 8. Februar 2011, beginnt um 8:30 Uhr am Amtsgericht Halberstadt der Prozess gegen den 25jährigen Neonazi Steven R. sowie einen 27-jährigen Rechten wegen Beleidigung, Nötigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung. Dem bereits mehrfach einschlägig vorbestraften Steven R. wirft die Staatsanwaltschaft zudem die Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen und Körperverletzung vor. Zum ersten Prozesstag sind die Betroffenen, die bei dem Prozess als Nebenkläger auftreten, geladen.

Zum Hintergrund:

Am 11. Juni 2010 gegen Mittag wurden zwei  Flüchtlinge (22 und 25 Jahre alt) aus Benin beim Durchqueren eines Parks von mehreren Männern zunächst massiv rassistisch beschimpft und angerempelt. Dann fliegt eine Bierflasche unmittelbar am Kopf des 22-jährigen Flüchtlings vorbei und schlägt neben ihm auf. Nach dem Wurf entblößt der Angreifer seinen Oberkörper und zeigt seine dort eintätowierten Hakenkreuze. Die betroffenen Asylsuchenden flüchten, werden jedoch von dem Neonazi und einem weiteren Rechten verfolgt, die Flaschen nach ihnen werfen. Voller Panik rennen die Betroffenen weiter und trauen sich erst wieder stehen zu bleiben, nachdem die Verfolger nacheinander von ihnen ablassen. Zeugen informieren währenddessen die Polizei.

Rechter Wiederholungstäter Steven R.

Nur wenige Tage vor der Tat stand Steven R. noch unter Bewährung aufgrund einer Verurteilung aus dem Jahr 2006 u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung. Der heute 25-Jährige ist seit Jahren als überzeugter Neonazi bekannt und stand bereits wegen mehrerer politisch rechts motivierten Gewalt- und Straftaten vor Gericht. So hatte er am 29. März 2004 einen Flüchtling aus Eritrea in Halberstadt gemeinsam mit anderen Rechten angegriffen. Steven R. hielt dabei eine Schreckschusspistole in der Hand und verletzte den Betroffenen damit am Kopf. Am 29. Mai 2005, griff der Neonazi am Halberstädter See zwei Jugendliche an. Die 14- und 17-jährigen Betroffenen gehörten zu einer Gruppe alternativer Jugendlicher, die Steven R. zuvor von den Zielen der NPD überzeugen wollte. Als ihm schließlich der 17-Jährige sagte, er sei hier falsch, schlug ihn der Neonazi mit einer Fahnenstange und zielte mit einer Schreckschusspistole auf den Betroffenen. Dann schlug er ihn zu Boden und trat er mehrmals auf den Kopf des Alternativen ein. Der 14-Jährige, der zu intervenieren versuchte, wurde von Steven R. ebenfalls mit Schlägen ins Gesicht verletzt und mit der Waffe bedroht.

Gravierende Folgen für die Betroffenen

Die beiden jungen Männer aus Benin, die mit der Hoffnung auf Schutz nach Deutschland geflohen waren, fühlten sich nach dem Angriff nicht mehr sicher in Halberstadt. Als Asylsuchende mussten sie in der Zentralen Aufnahmestelle (ZASt) am Rande der Stadt wohnen, die sie aus Angst, erneut auf die Angreifer zu stoßen, kaum noch verließen. Sie baten daher um Unterbringung in einer anderen, größeren Stadt mit angemessenen Unterstützungsmöglichkeiten. Stattdessen wurden sie von der zuständigen Ausländerbehörde jedoch in einen kleinen Ort in einen anderen Landkreis verlegt. Dort wurden sie kurze Zeit später auf dem Weg zum Einkaufen erneut massiv rassistisch beleidigt Über einen weiteren Antrag auf Umverteilung wurde von der zuständigen Ausländerbehörde noch nicht abschließend entschieden.

„Es ist eine erschreckende Realität, dass sich Flüchtlinge, insbesondere schwarze Menschen in Sachsen-Anhalt nicht angstfrei bewegen können“, so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Wir fordern daher erneut das Recht auf freie Wohnortwahl für Betroffene rassistischer Angriffe. Bezüglich des Prozesses gegen die beiden Angeklagten erklärt die Sprecherin weiter: „Die Betroffenen erwarten vom Gericht ein Signal, dass rassistische Gewalt nicht akzeptiert wird.“

Fortsetzungstermine für den Prozess sind für den 22.02. und 01.03.2011 jeweils ab 8:30 Uhr geplant.