Anlaufstelle Süd (Halle), 04.11.2007

Zweiter Verhandlungstag: Montag, den 5.11.2007, 10:00 Uhr, Amtsgericht Haldensleben, Stendaler Str. 18

Den 20 und 22 Jahre alten jungen Männern wird u.a. gefährliche Körperverletzung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen. Sie sollen am Angriff auf vier Punks am „Herrentag“ letzten Jahres auf dem Haldenslebener Bahnhof beteiligt gewesen sein.

Am 25. Mai 2006 warten gegen 22.15 Uhr vier jungen Punks auf einer Treppe am Bahnhof auf ihren Zug, als plötzlich fünf Jugendliche auftauchen und beginnen, Knallkörper nach ihnen zu werfen. Dabei rufen sie u.a. „Rote Zecken, haut ab hier, verpisst euch, wir wollen euch hier nicht!“. Daraufhin wird einem 18jährigem Punk eine Bierflasche gegen seinen Hinterkopf geworfen. Im weiteren Verlauf versuchen die Angreifer eine 20jährige auf die Gleise zu schubsen.

Währenddessen holt einer der Rechten Verstärkung, woraufhin etwa ein halbes Dutzend weiterer Jugendlicher um die Ecke des Bahnhofsgebäudes gelaufen kommen und die beiden zwei männlichen Punks angreifen. Einer der Angreifer zieht plötzlich einen Schreckschussrevolver und zielte auf den Kopf des 18-Jährigen mit der Drohung „Wenn ihr noch ein Wort sagt, dann knall ich euch alle ab!“ Als der 17-jährige Punk den Bedrohten daraufhin zur Seite schubst, löst sich im daraus entstehenden Gerangel ein Schuss aus der Waffe und der Punk sackt mit einer stark blutenden Knieverletzung zusammen. Die Betroffenen versuchen schließlich, sich in den mittlerweile eingefahrenen Zug in Sicherheit zu bringen und bitten das Zugpersonal die Türen zu verriegeln. Der Lokführer lehnt aber mit dem Hinweis ab, dass ja möglicherweise noch andere Fahrgäste einsteigen wollen. Währenddessen dringen mehrere Angreifer immer wieder in den Zug ein und versetzen den Betroffenen noch mehrere Schläge und Tritte, dabei riefen sie mehrmals „Sieg Heil“ und zeigten den Hitlergruß. Als schließlich Polizei vor Ort eintrifft, flüchten die Angreifer unerkannt.

Zur Prozesseröffnung am 22. Oktober 2006 räumten beide Angeklagten die erhoben Tatvorwürfe zwar teilweise ein, gaben aber vor, zumindest was den konkreten Tathergang angeht, erhebliche Erinnerungslücken zu haben. Der heute 22jährige hatte zwar eine Waffe bei sich gehabt, aber geschossen hätte er nicht. Ein als Zeuge geladener junger Mann aus Haldensleben, der mit den beiden Angeklagten zur Tatzeit am Bahnhof gewesen sein soll, sagte dann allerdings nach mehrfacher Belehrung durch die Staatsanwaltschaft bezüglich den Konsequenzen einer Falschaussage aus, dass es sehr wohl einen Schuss gegeben hätte. Auch eine der betroffenen Punkerinnen hatte das in ihrer Zeugenaussage bestätigt. Des Weiteren bestätigte der Zeuge, dass einer der Angeklagten mehrmals „Sieg Heil“ gerufen hatte.

„Dass der Prozess gegen die beiden Angeklagten überhaupt noch eröffnet wurde, ist einzig und allein dem Engagement der VertreterInnen der Nebenklage zu verdanken. Obwohl es ausreichend Hinweise für die Tatbeteiligung gab, wurde das Verfahren von Seiten der Staatsanwaltschaft Magdeburg bereits im November 2006 eingestellt. Einmal mehr wurden Betroffene rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt von den Ermittlungsbehörden im Stich gelassen“, so ein Sprecher der Mobilen Opferberatung. „Auch vor Gericht verstärkt sich der Eindruck der Betroffenen, dass der Angriff nicht ernst genommen wird. Sie wurden mehrfach vom Vorsitzenden und von der Verteidigung wegen ihres Punkoutfits befragt und ob sie damit provozieren wollen“.