Anlaufstelle Süd (Halle), 26.07.2010
Kritik an unverantwortlichem Verhalten des behandelnden Arztes in Stendal durch Betroffenen und seine Mutter
Am Mittwoch, dem 28. Juli 2010, beginnt um 9:45 Uhr vor dem Jugendrichter am Amtsgericht Schönebeck die Verhandlung gegen einen 18- und einen 21-Jährigen. Zum Prozessauftakt sind 13 Zeugen geladen. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg wirft ihnen u.a. gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung vor, ohne auf ein Motiv für den schweren Gruppenangriff einzugehen.
Gezielte Provokationen in der Disko
In der Nacht vom 4. zum 5. April 2009 wurden ein 17-Jähriger mit bunt gefärbtem Irokesenschnitt sowie sein Begleiter in der Diskothek „Nordmann“ in Calbe/Saale unvermittelt von einem ihnen unbekannten Jugendlichen angerempelt, sodass dem Freund des 17-Jährigen sein Bier runter fiel. Etwas später schlug der Unbekannte dem 17-jährigen Alternativen mit der flachen Hand ins Gesicht. Da der Angreifer offensichtlich zu einer etwa 20-köpfigen Gruppe gehörte, darunter einige augenscheinlich Rechte, bat er einen Türsteher der Disko um Hilfe. Dieser beruhigte die Betroffenen, dass nichts mehr passieren würde.
Als beide schließlich die „Ein-Euro-Party“ verließen folgte ihnen nicht nur der Angreifer, sondern kurz darauf etwa 15 bis 20 weitere Jugendliche. Einige aus der Gruppe stürzten sich sofort auf den Begleiter des 17-Jährigen, schlugen auf ihn ein und schleiften ihn am Boden liegend über die Straße, sodass er blutende Gesichtsverletzungen erlitt. Währenddessen versetzte der Initiator des Angriffs dem Alternativen mehrere Faustschläge ins Gesicht. Dabei wurde der Betroffene von mehreren Personen festgehalten. Nach Beschimpfung als „Scheiß Zecke“ schlug ein weiterer Angreifer so massiv gegen das Kinn des 17-Jährigen, dass er das Bewusstsein verlor. Am Boden liegend wurde er noch mehrfach getreten.
Als ein 18-Jähriger seinen Freunden zu Hilfe kommen wollte, wurde auch er massiv geschlagen und getreten. Dabei brachen vier Stücke seines Zahnersatzes ab. Zudem erlitt er eine Prellung am rechten Handgelenk. Erst als eine weitere Freundin hinzukam und die Angreifer anschrie, dass sie aufhören sollen, ließen sie von den Betroffenen ab.
Unverständlicher Umgang des Krankenhauses mit erheblich Verletztem
Die Mutter des 17-Jährigen fuhr ihren Sohn ins Stendaler Johanniter-Krankenhaus. Nach dem Röntgen wurde ein mehrfacher Kieferbruch festgestellt. Wegen der Schwere der Verletzungen wurden beide mitten in der Nacht an die Kieferchirurgie am Universitätsklinikum Magdeburg verwiesen, ohne einen Krankentransport zu gewährleisten. Die Autofahrt nach Magdeburg wurde für Mutter und Sohn zur Tourtur: Mehrfach verlor der Betroffene hier das Bewusstsein.
Auch die behandelnde Ärztin in Magdeburg reagierte mit Unverständnis auf das Vorgehen des Stendaler Kollegen. Nach 10-tägigem stationärem Klinikaufenthalt dauerte die Genesung des Betroffenen noch etliche weitere Wochen. Die auch öffentlich geübte Kritik der Mutter des Betroffenen am Vorgehen des behandelnden Arztes wies das Krankenhaus Stendal jedoch zurück: Eine Fahrt mit Notarztbegleitung sei nur in absolut dringenden Fällen möglich, so der Ärztliche Direktor des Johanniter-Krankenhauses gegenüber der Volksstimme (siehe Artikel vom 16.04.2009 in Lokalausgabe Osterburg).