Anlaufstelle Süd (Halle), 01.09.2014

Mobile Opferberatung kritisiert die Ausblendung des rechten Tatmotivs – Beginn: Mittwoch, den 3. September 2014, 9:00 Uhr, Amtsgericht Halle, Thüringer Straße 16, Saal 2.020

Fast ein Jahr nach einem Angriff auf zwei Fans des VfL Halle 96 beginnt am Mittwoch, den 3. September 2014 um 9:00 Uhr am Amtsgericht Halle (Jugendrichter) der Prozess gegen zwei 18- und 20-jährige Hallenser. Die Staatsanwaltschaft Halle wirft ihnen lediglich einfache Körperverletzung vor, obwohl die Ermittlungen wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung geführt wurden.

Massive Beleidigungen im Vorfeld

Am 15. September 2013 wird nach einem Fußballspiel des VFL Halle 96 und der zweiten Mannschaft des Halleschen FC eine Gruppe von vier VFL-Fans gegen 16 Uhr in der Nähe des Stadions von einem HFC-Fan mehrfach mit Sprüchen wie „Scheiß Zecken“ und „Am liebsten würde ich euch Zecken alle umbringen“ beleidigt und bedroht. Die Betroffenen versuchen die zahlreichen Beschimpfungen zu ignorieren und gehen weiter. Kurz darauf werden die VFL-Fans von dem Rechten und weiteren Personen, die mittlerweile auf eine etwa zwanzigköpfige Gruppe angewachsen sind, eingeholt und unter Rufen wie „Drecksjuden“ angegriffen.

Ein 24-Jähriger erhält zwei Schläge gegen Kopf und Gesicht. Einem 18-jährigen Schüler wird derart ins Gesicht geschlagen, dass er sofort stark aus Nase und Mund blutet. Weitere Schläge und Tritte gegen seinen Körper folgen. Zeug_innen versuchen die in der Nähe befindliche Polizei zu alarmieren, die jedoch nur zögerlich reagiert und erst eintrifft als der Angriff beendet ist. Die Verletzten können durch die schnelle Hilfe eines Autofahrers fliehen und ins Krankenhaus gebracht werden. Der 18-Jährige erleidet u.a. einen Nasenbeinbruch und muss stationär behandelt werden.

Unzureichende Anklage

Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt in der Folge wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung. Die Staatsanwaltschaft Halle erhebt schließlich im Dezember 2013 Anklage gegen einen zur Tatzeit 17-jährigen Jugendlichen und einen 19-jährigen Heranwachsenden. Es wird ihnen jedoch lediglich einfache Körperverletzung zur Last gelegt. Das gemeinschaftliche Handeln der Angreifer aus der Gruppe der HFC-Fans heraus, die den Betroffenen gezielt folgten, wird damit bagatellisiert. Auch die politische Motivation des Angriffs bleibt unerwähnt. Die massiven rechten und antisemitischen Beleidigungen wurden von der Staatsanwaltschaft im Vorfeld des Prozesses aufgrund von sogenannter Geringfügigkeit eingestellt. „Hier zeigt sich, dass politisch rechts motivierte Angriffe von der Justiz immer noch nicht als solche benannt und ernst genommen werden“ erklärt eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Die Betroffenen erwarten jetzt von dem Prozess, dass auch der Tathintergrund thematisiert und anerkannt wird“, so die Sprecherin weiter.

Zu dem bisher einzigen Prozesstag sind neben den zwei Betroffenen sechs weitere Zeugen geladen.

Achtung Bildberichterstatter_innen:
Wir bitten im Namen der Betroffenen darum, auf Film- bzw. Bildaufnahmen von ihnen zu verzichten. Für Interviews stehen Ihnen nach Möglichkeit der Nebenklagevertreter eines Betroffenen sowie die Mobile Opferberatung zur Verfügung.