Anlaufstelle Süd (Halle), 29.10.2013

Ein Jahr und acht Monate nach dem Angriff beginnt am Mittwoch, den 30. Oktober 2013, 10:00 Uhr vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Merseburg der Prozess gegen drei Rechte im Alter von 21, 25 und 56 Jahren, denen die Staatsanwaltschaft Halle gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung zur Last legt. Dem 56-Jährigen wird zudem Bedrohung und Nötigung vorgeworfen. Alle Angeklagten sind bereits vorbestraft – zwei wegen einschlägiger Straftaten. Zum Prozessauftakt sind neben zwei Betroffenen, die als Nebenkläger auftreten, fünf weitere Zeugen geladen.

Währenddessen machen sich die anderen aus der Gruppe lautstark über die Betroffenen lustig. Erst als die Lebenspartnerin ein Dönermesser ergreift, lassen die Rechten von dem Imbissbetreiber ab und verlassen das Lokal. Während der Betroffene als erstes die siebenjährige Tochter, die bis dahin alles hatte mit ansehen müssen, in einem kleinen Abstellraum in Sicherheit bring, versucht seine Partnerin mit Hilfe einer Zeugin die Polizei zu alarmieren.

Kurz darauf will die Gruppe erneut in das Lokal eindringen. Es gelingt dem Paar, die Eingangstür zu verschließen. Doch dann zerstören die Angreifer eine Doppelglasscheibe in der Tür, sodass das Paar durch Glassplitter verletzt wird. Während die Betroffenen sich in der Küche verstecken und erneut über Notruf die Polizei zu Hilfe rufen, sammeln sich immer mehr Rechte vor dem Laden und verhöhnen das Paar. Als nach geraumer Zeit endlich ein Streifenwagen vor Ort eintrifft, bagatellisiert einer der Beamten die blutende Schnittverletzung am Kopf des Imbissbetreibers und führt, anstatt für medizinische Behandlung zu sorgen, einen Atemalkoholtest bei ihm durch.

Gravierende Folgen des Angriffs für die Betroffenen

Nach dem rassistischen Angriff stand die kleine Familie vor den Trümmern ihrer Existenz. Schon bald stand für die Betroffenen fest, in Mücheln würden sie nicht bleiben können. Zwar gab es Solidaritätsbekundungen und Spenden, doch diese kamen von Außen. Vor Ort blieben nicht nur die Kunden aus, der Besitzer und seine Lebensgefährtin fürchteten auch angesichts der unmissverständlichen Drohung um ihr Leben. Hinzu kamen weitere Vorfälle: Am Tag nach dem Angriff waren mehrere Autos, in denen der Imbissbetreiber auch zwei der Angreifer wiedererkannte, mehrfach mit aufheulendem Motor an dem Geschäft vorbeigefahren. Es tauchten mehrere rechte Aufkleber am und in der unmittelbaren Umgebung des Imbiss auf. Und während eines Radiointerviews vor dem Imbiss zeigten Jugendliche u.a. den „Hitlergruß“.

Der 25-Jährige musste mit großen finanziellen Verlusten den Imbiss aufgeben und versuchen, sich mühsam eine neue Existenz aufzubauen. Aber jeder weitere rassistische Angriff, wie jüngst auf den türkischen Imbissbetreiber in Bernburg, bringt für die Betroffenen auch die Erinnerungen und die Angst zurück.

Achtung Bildberichterstatter_innen:
Wir bitten im Namen der Betroffenen darum, auf Film- bzw. Bildaufnahmen von ihnen zu verzichten. Für Interviews stehen Ihnen nach Möglichkeit die Nebenklägervertreter der Betroffenen sowie die Mobile Opferberatung zur Verfügung