Anlaufstelle Süd (Halle), 01.04.2014
Sachsen-Anhalt) mehr als zwei Jahre nach der Tat – Mobile Opferberatung kritisiert erneut lange Untätigkeit der Staatsanwaltschaft Halle – Beginn: Donnerstag, 3. April 2014, 9:00 Uhr, Landgericht Halle, Hansering 13, Saal 90
Am kommenden Donnerstag beginnt vor der 6. Großen Strafkammer (Jugendkammer) am Landgericht Halle der Prozess gegen fünf zur Tatzeit 19- bis 30-jährige, überwiegend einschlägig vorbestrafte Rechte wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung. Dabei liegt die in Rede stehende Tat fast zweieinhalb Jahre zurück.
Am 19. November 2011, kurz vor Mitternacht, greift eine etwa zehnköpfige, u.a. mit Schlagstock und Eisenstange bewaffnete Gruppe Rechter in Sangerhausen mehrere Punks an. Diese hatten vor dem Eingang des Jugendclubs „mad house“ gesessen, wo gerade ein Benefizkonzert für benachteiligte Kinder lief. Nach Beschimpfungen als „Abschaum“ und „dreckige Zecken“ schlagen und treten die Rechten auf mehrere Punks zum Teil auch dann noch ein, als sie bereits am Boden liegen. Als Konzertbesucher und Security-Mitarbeiter eingreifen wollen, werden auch diese angegriffen und verletzt. Vor Ort eintreffende Polizeibeamte kontrollieren zunächst die Personalien von Konzertbesucher_innen, anstatt die Verfolgung der flüchtenden Angreifer aufzunehmen. Von den insgesamt acht Verletzten müssen drei Punks, darunter eine Frau, sowie ein Security-Mitarbeiter u.a. mit Kopfplatzwunden und Prellungen ambulant im Krankenhaus behandelt werden.
In der Folge ermittelt die Polizei gegen insgesamt acht Tatverdächtige und schließt ihre Arbeit im Januar 2012 ab. Knapp 16 Monate später, Anfang Mai 2013, stellt die Staatsanwaltschaft Halle das Verfahren gegen alle Beschuldigten mit der Begründung ein, dass ihnen Verletzungshandlungen nicht mit Gewissheit nachzuweisen seien. Erst die Beschwerden der Nebenklägervertreter_innen zweier Betroffener führen im August 2013 zur Anklageerhebung gegen fünf der Beschuldigten. „Diese Verfahrensverzögerungen sind für die Nebenklage nicht nachvollziehbar und erschweren unnötig die Beweisaufnahme vor Gericht“ kritisiert Undine Weyers, die eine heute 25-Jährige Betroffene des Angriffs als Nebenklägerin vertritt.
Die Mobile Opferberatung hatte zuletzt mehrfach die durch die Staatsanwaltschaft Halle verursachte, lange Verfahrensdauer bei gravierenden rechten und rassistischen Gewalttaten kritisiert. So dauerte es nach dem gezielten Angriff einer Gruppe bewaffneter Neonazis auf Alternative an der Papiermühle in Merseburg im April 2010 nach Abschluss der Ermittlungen mehr als ein Jahr, bis die Staatsanwaltschaft Halle auf Drängen der Anwält_innen von Betroffenen Anklage erhob. Das Verfahren endete im Dezember 2013 mit Freisprüchen. Auch nach dem rassistischen Angriff auf der „Eisleber Wiese“ im April 2012 wurde die Anklage erst nach wiederholter Nachfrage der Süddeutschen Zeitung und zunächst anderslautenden Auskünften acht Monate nach der Tat erhoben. „Betroffene rechter Gewalt empfinden eine lange Verfahrensdauer oft auch als Verharmlosung der Taten“, führt eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung aus. „Eine schnelle und konsequente Verfolgung rechter und rassistischer Gewalt sollte als Konsequenz aus dem Versagen der Ermittlungsbehörden im Zusammenhang mit der rassistischen Mordserie des NSU selbstverständlich sein“, fordert die Sprecherin.
Zum Prozessauftakt sind fünf Zeug_innen, darunter drei der Betroffenen, geladen. Weitere Verhandlungstermine sind für den 24.04., 30.04., 08.05., 15.05., 19.05., 23.05. und 05.06.14, jeweils ab 9:00 Uhr anberaumt. Bei Rückfragen können Sie sich gern unter der Tel. 01 75 / 1 62 27 12 an uns wenden.
Achtung Bildberichterstatter_innen: Wir bitten im Namen der Betroffenen darum, auf Film- bzw. Bildaufnahmen von ihnen zu verzichten. Für Interviews stehen Ihnen nach Möglichkeit die Nebenklägervertreter_innen sowie die Mobile Opferberatung zur Verfügung.