Anlaufstelle Süd (Halle), 30.04.2008

Am Montag, dem 5. Mai 2008, wird vor dem Amtsgericht Halberstadt, Richard-Wagner-Str. 52, Strafkammersaal ab 9.30 Uhr der Prozess gegen den einschlägig vorbestraften Neonazi Daniel R. fortgesetzt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute 23-Jährigen gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor sowie in zwei weiteren Fällen (gefährliche) Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

Vor einem Jahr, am 1. Mai 2007, wurde eine Gruppe von fünf AntifaschistInnen auf dem Bahnhof in Halberstadt direkt nach Verlassen ihres aus Magdeburg kommenden Zuges gezielt von einer Gruppe Neonazis angegriffen. Die vier Rechten – der Haupttäter trug ein Shirt mit der Aufschrift „Nationalist“ zur Schau – beschimpften die Betroffenen u.a. als „Scheiß Zecken“, bespuckten sie, bekippten sie mit Bier und versuchten, sie körperlich zu attackieren. Eine 19-Jährige wurde dabei durch einen Tritt in die Rippen verletzt. Den Betroffenen gelang es sich in den Zug zu flüchten. wobei die Angreifer sie mit Bierflaschen bewarfen. Einer der Rechten trat dann mit „Sieg Heil“- und „Heil Hitler“-Rufen immer wieder gegen die geschlossene Zugtür, die schließlich splitterte. Die Betroffenen erstatten noch vor Ort Anzeige. In der Folge ermittelte die Polizei gegen vier Beschuldigte.

Die Staatsanwaltschaft Halberstadt erhob allerdings nur gegen den zur Tatzeit 22jährigen Daniel R. Anklage. Diese vermittelt den Eindruck, als wäre R. ein Einzeltäter gewesen. Von einem gemeinschaftlichen Angriff mehrerer Rechter ist hier nicht die Rede. „Für die Annahme, dass eine gemeinschaftliche Körperverletzung begangen wurde, reicht schon ein bewusstes Zusammenwirken der Beteiligten aus. Eine eigene Verletzungshandlung ist nicht erforderlich. Die Staatsanwaltschaft hätte daher nicht nur gegen Daniel R. sondern auch gegen die drei anderen Rechten Anklage erheben müssen,“ kritisiert Rechtsanwältin Martina Arndt, welche die bei dem Angriff verletzte junge Frau als Nebenklägervertreterin unterstützt. „Offenbar besteht weiterhin ein Wahrnehmungsproblem bei der Staatsanwaltschaft Halberstadt“, so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Indem ein gezielter Angriff mehrerer Neonazis auf vermeintliche politische Gegner plötzlich als Tat eines Einzelnen dasteht, werden die rechten Mittäter strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen“, so die Sprecherin weiter.

Wie gezielt und offensichtlich unbeeindruckt von polizeilichen Maßnahmen Neonazis immer wieder gegen ihnen missliebige Personen vorgehen, beweist auch dieser Fall eindrücklich: Nur wenige Stunden vor diesem Angriff, am 1. Mai 2007 gegen 18.00 Uhr, war ein Deutscher äthiopischer Herkunft am Bahnhof in Magdeburg aus einer Gruppe Rechter heraus rassistisch beschimpft und getreten worden. Die Polizei hatte in der Folge sechs Tatverdächtige festgenommen, darunter auch die Rechten, die nur viereinhalb Stunden später vermeintliche politische GegnerInnen am Bahnhof in Halberstadt angriffen.

Zudem muss sich der in beiden Ermittlungsverfahren als Beschuldigter geführte Christian W. seit Oktober 2007 wegen des Angriffs auf Mitglieder des Theaterensembles im Juni letzten Jahres in Halberstadt verantworten. Der heute 23-Jährige muss hier als einziger der vier Angeklagten mit einer Verurteilung rechnen.

Zu Prozessauftakt am vergangenen Montag sagte neben der 19-jährigen Hauptbetroffenen des Angriffs vom 1. Mai 2007 auch ein Polizeibeamter im Zusammenhang mit zwei weiteren Anklagen aus: So soll R. am 10. Juli 2007, kurz nach Mitternacht, in seiner Wohnung in Halberstadt so laut rechte Musik gehört haben, dass Beamte wegen ruhestörendem Lärm einschritten. Diesbezüglich wirft die Staatsanwaltschaft R. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung vor. Ähnliches wird R. auch im Zusammenhang mit einem Einsatz von Beamten an einer Total-Tankstelle in Halberstadt am 18. August 2007 vorgeworfen. Am späten Abend des 17. August 2007, dem Todestag des Hitlerstellvertreters Rudolf Heß, hatten sich etliche Rechte dort versammelt, laut Musik gehört und rechte Parolen gegrölt. Bei dem darauf folgenden Polizeieinsatz gegen 2.30 Uhr sollen die Beamten von mehreren Rechten u.a. mit Bierflaschenwürfen angegriffen worden sein. Auch R. soll gezielt eine Bierflasche nach den Polizisten geworfen haben.

Für den kommenden zweiten Verhandlungstag sind zwei weitere Betroffene aus der Gruppe der AntifaschistInnen sowie die beiden Zugbegleiter als Zeugen geladen.