Anlaufstelle Süd (Halle), 09.10.2007
Halberstadt führt gemeinsam mit Naumburg und Magdeburg die Statistik rechter Gewalttaten der Mobilen Opferberatung für die ersten drei Quartale im Jahr 2007 an.
In den ersten drei Quartalen im Jahr 2007 registrierte die Mobile Opferberatung in Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Straf- und Gewalttaten in Dessau bislang (Stichtag 5. Oktober) 99 Angriffe für das Land Sachsen-Anhalt. Davon waren 191 Personen direkt betroffen, der überwiegende Teil davon männlich (154 Personen). Die Angriffe richteten sich mehrheitlich gegen Nichtrechte Jugendliche und junge Erwachsene. In 18 Fällen handelte es sich um rassistisch motivierte Gewalttaten.
Rechte Gewalt wird häufig aus der Gruppe heraus ausgeübt, wobei oftmals mit hoher Brutalität vorgegangen wird, auch wenn das Opfer schon hilflos am Boden liegt. Die menschenverachtende Ideologie wird mittels Beschimpfungen und Skandieren von rechten Parolen zur Schau gestellt. Die Mehrheit der Angriffe sind als Körperverletzungsdelikte einzuordnen, von Januar bis September dieses Jahres wurden 160 Fälle (nach direkt Betroffenen) dieses Straftatbestands der Mobilen Opferberatung bekannt. Die schwerste rechte Straftat – versuchter Mord – wurde am 6. Januar dieses Jahres verübt. Anhänger der rechten Szene hatten auf eine Flüchtlingsunterkunft in Sangerhausen mehrere Brandsätze geworfen und drei Bewohner in Lebensgefahr gebracht.
Die meisten Angriffe wurden in Halberstadt und Naumburg mit je 11 sowie in Magdeburg mit 10 rechten Gewalttaten registriert. Halberstadt und Magdeburg waren auch in den vergangenen Jahren Brennpunkte rechter Übergriffe. Weitere Schwerpunkte sind das Jerichower Land mit 9, der ehemalige Kreis Quedlinburg mit 8 und der Altkreis Bitterfeld mit 7 rechten Angriffen. In den ehemaligen Landkreisen Aschersleben-Staßfurt, Bernburg, Saalkreis und Wernigerode wurden dieses Jahr bislang keine rechten Gewaltstraftaten registriert.
Da im Bereich politisch rechts motivierter Gewalt von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist, sind Statistiken nur bedingt aussagekräftig. Die Stadt Naumburg im alten Burgenlandkreis, für die im Vergleichzeitraum 2006 kein rechter Angriff registriert wurde, entwickelte sich in diesem Jahr zu einem Schwerpunkt der Beratungsarbeit. Es gibt dort keine stark organisierte Neonaziszene, aber eine große Gewaltbereitschaft von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die zum Teil eher einer Hooliganszene zuzuordnen sind, gegenüber Punks und alternativen Jugendlichen. Gewalt gegenüber Andersdenkenden und Andersaussehenden gehört dort für manche der Betroffenen schon zum Alltag. „Nach und nach erzählten die Jugendlichen von ihren Erfahrungen und je häufiger wir vor Ort waren, desto mehr erfuhren wir über die Angriffe der letzten Monate“, berichtet eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung.
Im Landkreis Anhalt-Bitterfeld greifen Rechte in den ersten drei Quartalen dieses Jahres wiederholt nichtrechte Jugendliche an. Schwerpunkt ist die Kleinstadt Aken: Im August wird eine Gruppe von alternativen Jugendlichen angegriffen. Die Täter attackieren die Jugendlichen mit Baseballschlägern, Schlägen und Bierflaschen und brüllen dabei ein Lied mit der Textstelle: „Deutschland frei von Parasitenpack – Deutschland muss weiß bleiben“. Seit Anfang des Jahres versuchen Neonazis aus dem Raum Dessau mit einer neu gegründeten Kameradschaft Aken/ Elbe Fuß zu fassen und die vorhandene alternative Jugendkultur gewaltsam aus dem sichtbaren Ortsbild zu vertreiben. Der Bürgermeister der Stadt Aken will deshalb ein Netzwerk gegen Rechtsradikalismus in Aken aufbauen, wozu am 04.10.2007 eine erste Beratung stattfand. Für Rückfragen zu den Angriffen in Aken und zivilgesellschaftlichen Anstrengungen vor Ort steht Ihnen Marco Steckel von der Beratungsstelle für Opfer rechter Straf- und Gewalttaten unter (03 40) 66 123 95 zur Verfügung.
Mit Brandstiftungen, Vandalismus und Schmierereien versuchen Rechte immer wieder, die Existenzen von Betreibern kleiner Ladenlokale und Imbisse mit Migrationshintergrund zu zerstören. Ein Döner-Imbiss in Oschersleben, ein Asia-Imbiss und ein Geschenkartikelladen in Bismark wurden von Rechten beschädigt oder zerstört. Hinzu kommt eine große Zahl von Sachbeschädigungen mit vermutlich rassistischem Hintergrund, bei denen Tatverdächtige oder ihre Motive nicht aufgeklärt werden können. Ein Sprecher der Mobilen Opferberatung hält fest: „Die registrierten Fälle stellen nur die sichtbare Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs dar“.