VBRG e.V. (Berlin/ Frankfurt), 20.02.2020
Unsere Trauer ist gepaart mit unendlicher Sorge vor weiteren rechtsterroristischen Attentaten
Wir trauern um die neun Menschen, die gestern Abend in Hanau von einem rassistischen Attentäter ermordet wurden. Wir trauern mit ihren Familien, ihren Freund*innen, ihren Liebsten.
Hanau steht in einer traurigen Kontinuität rechten Terrors der letzten Monate, Jahre und Jahrzehnte. Daher trauern wir heute auch mit allen, die in den letzten Monaten, Jahren und Jahrzehnten ihre Angehörigen und Freund*innen bei rassistischen, rechtsterroristischen und antisemitischen Attentaten und Angriffen verloren haben: insbesondere mit den Überlebenden und Verletzten des Attentats in Halle (Saale), mit den Hinterbliebenen der Mordopfer des NSU und den Überlebenden der NSU-Bombenattentate. Wir trauern mit den Hinterbliebenen und Verletzten des rassistisch und rechts motivierten OEZ-Attentats in München und mit den Hinterbliebenen von Walter Lübcke.
„Neun Menschen wurden gestern Nacht in Hanau ermordet, weil offener Rassismus, die Ideologie einer ‚White Supremacy’ und die permanente Stigmatisierung von Orten wie Shisha-Bars, in denen sich die offene Gesellschaft trifft, dem Täter als Vorlage gedient haben,“ sagt Olivia Sarma von der Beratungsstelle response in der Bildungsstätte Anne Frank. Rassismus und Antisemitismus waren auch die Tatmotive des Attentäters von Halle (Saale), des Netzwerks des NSU, des Netzwerks der „Gruppe Freital“, der Gruppe Revolution Chemnitz und zahlloser anderer rechtsterroristischer Netzwerke und Gruppen. Der Antifeminismus und Frauenhass, der auch im Bekennerschreiben des Täters von Hanau offen zu Tage tritt, zeigt sich in der Ermordung der eigenen Mutter.
„Der rassistische Terror in Hanau wurde auch deshalb möglich, weil Verharmlosung rassistischen, rechten und antisemitischen Terrors, das Narrativ von Einzeltätern und die mangelnde konsequente Strafverfolgung nach rechten Gewalttaten und rassistischen Terror die Täter von Hanau und Halle/S. ermutigt haben“, sagt Dr. Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank.
„Unsere Trauer ist gepaart mit unendlicher Sorge: Denn wir wissen, dass das Klima des rassistischen und antisemitischen Hasses, das durch die parlamentarischen Wegbereiter und Apologeten rechten Terrors und durch sehr viele Schreibtischtäter geschürt wird, weitere Täter und Tätergruppen ermutigen wird, die sich als Teil einer internationalen rassistischen Bewegung der White Supremacy begreifen“, betont Robert Kusche, Vorstandsmitglied des VBRG e.V. und Geschäftsführer der Opferberatung der RAA Sachsen. „Wir wissen, dass täglich drei bis vier rechts, rassistisch und antisemitisch motivierte Gewalttaten verübt werden. Und wir wissen, dass viele der Angegriffenen mit einer rassistischen und antisemitischen Täter-Opfer-Umkehr konfrontiert sind, bei denen Polizeibeamte und Justiz den Betroffenen eine Mitschuld geben.“
„Wir brauchen jetzt den Schutz der offenen Gesellschaft und aller Menschen, die hier leben, unabhängig von vermeintlicher Herkunft, religiöser Überzeugung, Zugehörigkeit, gesellschaftlichen Status, Beeinträchtigung und Geschlecht“, sagt Robert Kusche. „Politik und Strafverfolgungsbehörden müssen Rassismus und rechten Terror endlich ernst nehmen – dabei müssen die Perspektive der Angegriffenen und Bedrohten, ihre Forderungen und Erfahrungen im Mittelpunkt stehen! Dazu gehört auch, statt von Einzeltätern zu reden, endlich bewaffnete Neonazinetzwerke zu entwaffnen.“
Weitere Informationen und Kontakt:
Dr. Meron Mendel / Marie Sophie Adeoso, Bildungsstätte Anne Frank: Tel.: 069 / 56 000 232, mmendel@bs-anne-frank.de; madeoso@bs-anne-frank.de
Robert Kusche, Vorstandsmitglied im VBRG e.V. und Geschäftsführer der Opferberatung der RAA Sachsen e.V.: robert.kusche@raa-sachsen.de