Anlaufstelle Mitte (Magdeburg), 25.02.2008
Hohe Differenz zwischen erfassten Gewalttaten durch das Magdeburger Innenministerium und die Mobile Opferberatung
Das Innenministerium in Sachsen-Anhalt hat heute eine Anzahl von 99 politisch rechts motivierten Gewalttaten für das Jahr 2007 bekannt gegeben. Davon seien 28 fremdenfeindlich und zwei antisemitisch motiviert. Die Mobile Opferberatung dagegen hat für das Jahr 2007 insgesamt 151 rechte und rassistische Gewalttaten registriert, darunter 125 Körperverletzungsdelikte. In 75 Prozent dieser Fälle haben die Betroffenen Anzeige erstattet oder die Ermittlungsbehörden Kenntnis vom Geschehen gehabt. „Die Zahlen geben jeweils nur einen Ausschnitt des Problems rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt wieder“, so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung.
„Allerdings ist der Ausschnitt, den die Sicherheitsbehörden für das vergangene Jahr erfasst haben, erheblicher kleiner als in den Jahren zuvor.“ Schon für das Jahr 2006 war deutlich geworden, dass unstrittig neonazistische Angriffe — wie der Angriff von 40 organisierten Neonazis auf eine alternative Geburtstagsparty in Gerwisch im Oktober 2006 — nicht vom Innenministerium als politisch rechts motivierter Gewalttaten mitgezählt wurden. „Rechte Gewalt hat sich in Sachsen-Anhalt auf hohem Niveau stabilisiert. Das machen auch die vier rechten Gewalttaten u.a. in Halle, Burg und Körbelitz an diesem Wochenende deutlich,“ betont die Mobile Opferberatung.
„Wir sehen für das vergangene Jahr eine hohe Differenz zwischen den vom Innenministerium und der Mobile Opferberatung erfassten Gewalttaten,“ so eine Sprecherin des Projekts. Auch in den Vorjahren hatte es Unterschiede zwischen den Zahlen und den durch die Mobilen Opferberatung und die Sicherheitsbehörden erfassten Fälle gegeben: Im Jahr 2006 beispielsweise hatten die Sicherheitsbehörden 122 (2005:116; 2004: 73) rechte Gewalttaten registriert; zum gleichen Zeitpunkt hatte die Mobile Opferberatung 178 Fälle (2005: 170, 2004:116) erfasst.
Differenzen ergeben sich aber u.a. auch dadurch, dass die Sicherheitsbehörden im Gegensatz zur Mobilen Opferberatung typische Demonstrationsdelikte von Rechten wie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte oder Landfriedensbruch als Gewaltdelikte erfassen. Demgegenüber wertet die Mobile Opferberatung ausgewählte Fälle von gravierenden Sachbeschädigungen auch als Gewaltdelikte. Ein weiterer Unterschied ergibt sich aus der Erfassung von Bedrohungen und Nötigung, die in der Gesamtstatistik der Mobilen Opferberatung für das Jahr 2007 jedoch weniger als 10 Prozent ausmachen.
„Polizeipannen, aber auch immer wieder mangelhafte Aufarbeitungen durch Staatsanwaltschaften oder Gerichte nach rechten Angriffen – wie 2007 in Halberstadt oder Burg – dürfen sich in diesem Jahr nicht wiederholen. Erst dann verbessert sich die Situation für Opfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt – und nicht durch Sonntagsreden und Öffentlichkeitskampagnen“, so die Sprecherin der Mobilen Opferberatung.